: Plutonium für das Krümmel-Monster
■ MOX: Der Bomben-Stoff soll in der Elbmarsch strahlen /HEW und Preag setzen Kiel unter Druck Von Marco Carini
Eine neue Runde im Atomstreit in Norddeutschland ist eröffnet. Nach zuverlässigen Informationen aus den Reihen der Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) und der Preußen Elektra (Preag) wollen die beiden Energieunternehmen nun endgültig im Atommeiler Krümmel die umstrittenen plutoniumhaltigen Mischoxid-Brennelemente (MOX) einsetzen. HEW-Vorstandssprecher Manfred Timm und Preag-Chef Hans-Ulrich Fabian wollen das dafür notwendige – und seit Jahren auf Eis liegende – Genehmigungsverfahren notfalls auch gegen den Widerstand ihres „Intimfeindes“ Claus Möller (SPD) durchziehen.
Dem schleswig-holsteinischen Energieminister und erklärten Atomkraft-Gegner Möller ist die neue Mox-Offensive der Energieversorger ein Graus. Seit langem mahnt der Minister die Kraftwerksbetreiber zum Ausstieg aus dem gefährlichen Plutoniumkreislauf. Statt auf Wiederaufarbeitung zu setzen, bei der zwangsläufig tonnenweise Plutonium – Atombombenbaumaterial und giftigster Stoff der Welt zugleich – anfällt, müßten ausgediente AKW-Brennelemente erst zwischen- und anschließend endgelagert werden. Doch erst seit Juli 1994 akzeptiert auch das Atomgesetz neben der Wiederaufarbeitung auch die Zwischenlagerung abgebrannter Uranbrennstäbe als Entsorgungsnachweis.
Preag und HEW lassen seit Jahren im britschen Sellafield und im französischen La Hague ausgediente Brennstäbe aus Brokdorf, Brunsbüttel und Krümmel aufbereiten. Da sie sich vertraglich verpflichtet haben, das dabei anfallende Plutonium zurücknehmen, sitzen sie auf Bergen des kernwaffenfähigen Ultragiftes. Allein die HEW verfügen über einen Bestand von nicht weniger als vier Tonnen Plutonium, die Preag muß gar mehr als 7 Tonnen des Giftes unterbringen. Bis zum Auslaufen der Verträge mit La Hague und Sellafield wird dieser Berg sich auf insgesamt 28 Tonnen erhöhen. „Für diese Plutoniommenge“, so Preag-Chef Fabian, „müssen Einsatzmöglichkeiten in Kernkraftwerken gegeben sein“.
Bereits im Dezember 1989 hatten die beiden Energieproduzenten in Kiel den Antrag gestellt, Krümmel mit Mox-Brennelementen bestücken zu dürfen. Doch die vom TÜV im Rahmen des Genehmigungsverfahrens angeforderten Unterlagen brachten HEW und Preag nie bei. Dennoch wollen sie ihren alten Antrag nun wieder aktivieren.
Gebetsmühlenartig hatte Möller in der Zwischenzeit die Kraftwerksbetreiber immer wieder aufgefordert, den Mox-Antrag endlich ganz „zurückzuziehen“. Des Ministers Argumentation: Durch die mit dem Ultragift Plutonium bestückten Brennstäbe „würde das gesundheitliche Risiko“ von Kraftwerksmitarbeitern und Anwohnern „zusätzlich steigen“. Zudem weisen Fachleute wie Helmut Hirsch von der „Gruppe Ökologie“ darauf hin, daß „die Regelung des Reaktors durch den Mox-Brennstoff schwieriger“ wird: Das Kraftwerk könne bei Störfällen schneller außer Kontrolle geraten.
Die Energieversorger sehen das naturgemäß anders: Preag-Chef Fabian wittert in der ministeriellen Mox-Blockade nicht mehr als eine „Behinderungstaktik ausstiegswilliger Behörden“. Die „sicherheitstechnischen Probleme“, so Fabian, würden „nachgewiesenermaßen beherrscht“, „neuartige Risiken“ seien nicht „mit dem Mox-Einsatz verbunden“.
Da die Mox-Brennstäbe also eher harmlos sind, wollen Preag und HEW möglichst viel Plutonium einsetzen: Statt der üblichen 30 Prozent wollen sich die Kraftwerksbetreiber den rekordverdächtigen Mox-Anteil von über 50 Prozent in Krümmel genehmigen lassen. Doch selbst die stramm auf CDU-Atomkurs liegende „Reaktorsicherheitskommission“ hat Bedenken, mehr als ein Viertel der Brennstäbe eines Siedewasserreaktors a la Krümmel mit dem plutoniumhaltigen Mischoxid zu bestücken.
Um es den Atomkraftwerksbetreibern zumindest nicht allzu leicht zu machen, die begehrte Genehmigung zu erhalten, beruft sich Möller auf eine 1994 verfaßte Novelle der atomrechtlichen Verfahrensverordnung. Die schreibt aus Sicht des Ministers eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und eine Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zwingend vor. Beides will Möller nun durchsetzen.
HEW und Preag lehnen dieses Ansinnen als „skandalöse Schikane“ ab. Doch sie wissen auch, daß sich die durch die zahlreichen Leukämiefälle in der Elbmarsch sensibilisierte Öffentlichkeit nicht so einfach aussperren lassen wird.
Was ihnen bei einer öffentlichen Erörterung bevorsteht, wissen sie ebenfalls genau: Als die Energieunternehmen 1990 den Antrag stellten, im AKW Brunsbüttel Mox-Brennelemente einzusetzen, gingen im Energieministerium nicht weniger als 19.618 Einwendungen gegen das Vorhaben ein.
Das Resultat: Das Genehmigungsverfahren wurde ebenfalls auf Eis gelegt.
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