: Ex-Diktator im Rollstuhl
■ Ein angeblich schwacher Pinochet will die britische Rechtsprechung nicht akzeptieren
Berlin (taz) – Chiles Ex-Diktator Augusto Pinochet hielt seinen ersten Auftritt vor einem britischen Gericht kurz: Mit schwacher Stimme und im Rollstuhl verlas er eine kurze Erklärung. „Bei allem Respekt“, hieß es darin, „ich erkenne die Jurisdiktion dieses Gerichts nicht an.“ Er akzeptiere lediglich die Rechtsprechung in seinem eigenen Land. Dort allerdings ist er durch Amnestiegesetze geschützt und genießt zudem als Senator auf Lebenszeit Immunität.
Das Gericht, das über Pinochets Auslieferung nach Spanien zu entscheiden hat, befand, daß Pinochet während der Dauer des Verfahrens nicht inhaftiert wird, sondern gegen Kaution unter Hausarrest bleiben kann. Pinochet bewohnt eine luxuriöse Villa im Südwesten Londons. Der Mietpreis liegt nach Schätzungen Londoner Immobilienmakler bei rund 17.000 Mark monatlich, die größtenteils von der chilenischen Pinochet-Stiftung aufgebracht werden.
Vor dem Gerichtsgebäude hatten sich schon seit den frühen Morgenstunden Demonstranten pro und contra Pinochet versammelt. Als der 83jährige schließlich im Polizeikonvoi zum Gerichtsgebäude gefahren kam, hatten sie dennoch kaum Chancen, ihre „Mörder! Mörder“- oder „Es lebe Pinochet!“-Rufe zu Gehör zu bringen – zu schnell war Pinochet im Gerichtsgebäude verschwunden.
Das britische Oberhaus hat unterdessen entschieden, die Berufung der Anwälte Pinochets gegen die Entscheidung der Lordrichter von Ende November, Pinochet keinerlei Immunität zu gewähren, zuzulassen. Die Anwälte werfen Lord Hoffmann, einem der fünf Lordrichter, Befangenheit vor, weil seine Frau bei der Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai) beschäftigt ist und er selbst schon einmal eine ai-Kampagne begleitet hat. Die Organisation war bei der Anhörung vor den Lordrichtern als Zeuge der Staatsanwaltschaft aufgetreten.
Am Dienstag soll ein Komitee von drei Richtern die Einwände anhören. Es ist das erste Mal in der britischen Justizgeschichte, daß eine Entscheidung der obersten Instanz aufgehoben werden soll. Bernd Pickert
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