: Singen, springen, netter klingen
Das Kollektiv wärmt doch! Den Beweis erbrachte eine musikalische Vereinigung unter dem Namen „transeuropa“ im Glashaus ■ Jenni Zylka
Auf dem Weg zur „Location“, wie manche Leute gerne sagen, fallen vor allem die Scharen von kleinen Pipimädchen auf, die Hand in Hand durch die Kälte in dieselbe Richtung strömen. Ist „transeuropa“ etwa still und heimlich ein neuer Hype geworden? Pustekuchen, Lenny Kravitz singt nebenan von Liebe und Esoquatsch. Im Glashaus dagegen drücken sich wenige frierende Menschen aneinander und warten, während zwei DJs eigentlich recht schöne, moderne Tanzmusik auflegen.
Als endlich Willy D. Janeiro, der Initiator des Projektes „transeuropa“ und in seiner Freizeit der Fischmob-Live-Tonmann, die Bühne betritt und sich hinter einer der beiden gürtelhohen Leinwände versteckt, um seinen Computer anzuschmneißen, ist auch klar, warum er, die DJs, Mr. Ed Jumps The Guns, MC Olly Golightly und zwei Gitarristen sofort wie Berserker anfangen herumzuhopsen: Es muß auf der Bühne genauso kalt sein wie davor. Und alle einschließlich Mixer tragen die gleichen dünnen, blauen Leibchen mit „transeuropa“-Schriftzug am Revers. Sogar die beiden GoGo- Girls, die nicht so richtig tanzen können, und als man sich gerade so seine Gedanken zum immerwährenden Sexismus im Musikbusiness machen möchte, nehmen die GoGo-Girls Mikrofone in die Hand und sind plötzlich Luci van Org und Miss Megatrance vom Madonna HipHop Massaker. Die müssen nämlich auch gar nicht tanzen können, die können ja singen. Wenn Miss Megatrance singt, ist es ein bißchen wie Garbage und Faithless, wenn Luci dran ist, ist es 80er.
Luci schafft es, daß die ultramodernen Keyboards im Hintergrund, der laute Drum'n'Bass-Groove, die hektischen „transeuropa“-Bildassoziationen auf den Leinwänden aussehen und klingen wie eine große Siouxsie- and-the-Banshees-Retrospektive. Leider auch ein bißchen wie Kate Bush. Aber das Kollektiv scheint sich bestens zu amüsieren, und während man sich vor der Bühne überlegt, ob Bier eigentlich wirklich als Aufwärmgetränk funktioniert, singt Nikolei Tomas ein schönes, schmalziges Stück mit harten Beats unterlegt.
Dann singen Olly Golightly und Luci van Org im Duett „I got you babe“, und das ist doch ziemlich lustig, denn Luci klingt wirklich ein bißchen wie Cher, und Olly so gar nicht wie Bono. Danach darf Olly Golightly rappen, und das kann er gut. Ein paar im Publikum haben sich von den Kommunisten anstecken lassen und springen fröhlich herum, der Rest ist eingefroren. „Die Stimmung unter den Künstlern ist prima“, beteuerten Willy D. Janeiro und andere Musiker vorher, wenn man zuguckt, mag man es glauben.
D. Janeiro, der während des kurzen Sets am ekstatischsten mitwippt, möchte demnächst mit seinem Projekt alle möglichen europäischen Künstler vereinigen und ein großes, funktionierendes Künstlerkollektiv gründen, damit gegen Konkurrenz und Neid im Gewerbe angehen. Und weil das sehr lobenswert ist, verzeiht man Luci das Pathos und Willy die auf Dauer doch etwas langweiligen Break Beats. Und trampt mit kleinen, seligen Lenny-Kravitz-Fans ins Warme.
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