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Hombachs List

■ Die neue Regierung vergibt wichtige Rundfunkratsposten, ohne es zu sagen

Offenbar redet niemand gern darüber, auch in der Grünen-Zentrale nicht. „Ich glaube nicht, daß sich Frau Röstel dazu äußern möchte“, heißt es aus dem Büro der Parteichefin, als habe man Intimfragen gestellt. Es geht aber nur um den Sitz der Bundesregierung im ZDF-Verwaltungsrat, einen der wichtigsten Posten in der Medienkontrolle, den die neue Regierung vergibt. Und Röstel wolle ihn, stand Anfang November in Focus, wo Gunda Röstel gern auch mal zum Thema „lange Beine“ Auskunft gibt. Nun gebe es da eine Liste, welche Posten die Grünen für wen wollen, heißt es anderswo in der Partei. Aber wer draufsteht...

Eine Liste tauchte immerhin Ende vorletzter Woche auf: Kanzleramtsminister Bodo Hombach (SPD) solle demnach den fraglichen Platz im ZDF-Verwaltungsrat einnehmen, und in den etwas weniger wichtigen Fernsehrat dürfe neben Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye und Innenminister Otto Schily auch ein Grüner: Fraktionschef Rezzo Schlauch. Da verstärkte sich der Eindruck, die neue Mehrheit wolle auf Öffentlich-Rechtliche noch stärker Einfluß nehmen als die alte. So mächtige Minister wie Hombach waren bislang nicht in die Kontrollgremien entsandt. Dabei hatten einzelne SPDler und die Grünen den Parteieneinfluß früher oft beklagt: Die Sender sollten die Politiker kontrollieren, nicht andersherum – man könne ja auch Sachverständige in die Gremien schicken.

Doch nach dem Wahlsieg erklärte Grünen-Chef Jürgen Trittin, als Regierungspartei müsse man nun auch Rundfunkräte besetzen. Und die neue Mehrheit beim ZDF begann, noch bevor sie besiegelt war: Hessens SPD-Staatskanzleichef Hans-Joachim Suchan als Verwaltungsdirektor wurde direkt in der ZDF-Spitze plaziert.

Das ZDF ist seit jeher Hauptobjekt der Begehrlichkeiten, wobei die meisten Gremienposten in den Ländern besetzt werden. Stets galt das ZDF als CDU-Sender, doch jetzt gibt es erstmals linke Gremienmehrheiten. Und die wirken sich nicht nur auf Haushaltsfragen oder Chefredakteursbestätigungen aus. Röstels Kandidatur indes wird nurmehr verhalten bekräftigt: „Wenn Herr Hombach seinen Hut in den Ring wirft, dann ist das ein sehr wichtiger Hut“, sagt ein Mitarbeiter der Parteispitze, der keinesfalls namentlich genannt werden will. Die Liste sei nur „ein Papier von Hombach“. Fraktionschef Schlauch beispielsweise wolle gar nicht in den Fernsehrat. Schlauch selbst, der als medienpolitischer Sprecher vordem noch gegen Parteieneinfluß wetterte, mag auch nicht reden. „Keine Zeit“, verkündet sein Büro. Auch in der SPD kann niemand sagen, wie es zu all den Namen auf der Liste (wozu auch Posten bei Deutschlandradio und Deutsche Welle zählen) kommt. In der Fraktion seien die Posten „kein Thema“ gewesen, so der Abgeordnete Gerd Weißkirchen, Mitglied im neugebildeten Fraktionsarbeitskreis für Medien.

Am nächsten Mittwoch wird das Bundeskabinett die Posten vermutlich absegnen, heißt es im Kanzleramt. Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“. Lutz Meier

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