: Türkische Medienschau
Wer soll über Apo richten?
„Nachdem Deutschland und Italien über die Einrichtung eines internationalen Gerichts einig sind, fragt sich nur, wer denn über Apo richten soll“, so der Kolumnist der Zeitung Sabah zu Abdullah Öcalan, dessen Spitzname identisch ist mit einer ehemaligen deutschen Bürgerbewegung. „Gott sei Dank gibt es Richter in Deutschland. Die können es den Mördergangs schwermachen. Immerhin ist Deutschland ein besserer Rechtsstaat als Italien. In diesem Land wird jeder Dieb zur Strecke gebracht, auch wenn er nur einen Walkman für 20 Mark geklaut hat. Nur wenn der Dieb ein vierzehnjähriger Türke ist, kann das Urteil anders ausfallen als bei einem volljährigen Deutschen.
Wenn Sie der deutsche Justizminister wären, welchen Richter hätten Sie für dieses internationale Gericht eingesetzt?
Hier ein paar Möglichkeiten: Paul Strassmeier vom Jugendgericht, der „Mehmet“ in die Türkei abschieben ließ? Der paßt nicht, denn Apo ist kein Jugendlicher mehr. Wolfgang Stefen kommt auch nicht in Frage, weil er ganz junge Deutsche für zehn Jahre eingeknastet hat, bloß weil sie in Solingen fünf Türkinnen abgefackelt haben. Aber Rolf Richter wäre der Richtige. Der hat ein Herz für Mörder. Er hat den Polizisten, der auf die Schläfe des Türken Bahi Yarden aus zwölf Zentimeter Entfernung eine Kugel abgefeuert hat, zu einer Geldstrafe von 5.100 Mark verurteilt. Rolf Richter sollte nach Rom geschickt werden.“ (7.12. 98)
Vielfalt und Einfalt der Musik
Der Leitartikel der Hürriyet beschäftigt sich mit der Pikanterie musikalischer Vielfalt in der Türkei: „Das Kulturhaus der Militärakademie richtet dieses Jahr zum zweiten Mal ein Musikfestival aus. Das Anliegen der Festivalleitung ist, die Vielfalt der Musik abzubilden. Im Programm standen der kurdische Sänger Reso und die armenische Gruppe Knar. Sie sind Bürger der Türkischen Republik. Reso probt kurdische Jazz-Experimente, und Knar machen seit 21 Jahren Musik in der Türkei. Plötzlich werden Reso und Knar aus dem Programm gestrichen. Wer hat das veranlaßt? Es heißt, der Befehl sei von ganz oben gekommen. Wissen die da oben nicht, daß kurdische Musik nicht verboten ist und daß kein einziges Gesetz in diesem Land existiert, das Bürgern armenischer Abstammung verbietet, armenische Lieder zu singen? Gibt es ein geheimes Verbot? „Die sensible Situation, in der sich die Türkei befindet.“ Das ist der gängige Grund, der beliebig oft vorgeschoben wird. Stellen Sie sich eine Türkei mit 60 Millionen Einwohnern vor, die sich vor der Musik ihrer eigenen Bürger fürchtet. Was ist die logische Erklärung dafür, vor der Musik von 60.000 Türken armenischer Abstammung Angst zu haben? (7.12.98)Zusammengestellt von Bülent Tulay
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