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Der Tanz ums goldene Kalb geht weiter

Beim EU-Gipfel haben die Regierungen nichts beschlossen, aber für die Agenda 2000 ihre Positionen abgesteckt. Schröder erhält für seinen Sparkurs Rückendeckung von Österreich, Schweden und den Niederlanden  ■ Aus Brüssel Alois Berger

Die Regierungschefs der EU bemühten sich, trotz allem feierlich dreinzuschauen, als ihnen Ex- Bundeskanzler Helmut Kohl unter der barocken Kuppel der Wiener Nationalbibliothek ins Gewissen redete. Schließlich hatten sie ihn gerade zum Ehrenbürger Europas gekürt, eine Auszeichnung die vor Kohl nur der Gründervater Jean Monnet bekam. Sie sollten die „Visionen behalten“, mahnte der große alte Mann, und nicht immer nur aufs Geld schauen.

Das war nicht ohne Pikanterie. „Der hat doch die Paste aus der Tube gedrückt“, moserte ein Beamter, „jetzt kriegt man die nicht mehr zurück.“ Gemeint war der Streit um die deutschen Nettozahlungen an die EU, den Kohl angezettelt hatte und der den EU-Gipfel bestimmte. Der litauische Premierminister Gedeminas Vagnorius saß zu dieser Zeit in seinem schmucklosen Hotel am Parkring und mühte sich um Contenance. Er hatte gehofft, 183 Jahre nach dem Wiener Kongreß würden sich die EU-Chefs in der Wiener Hofburg wieder auf die Neuordnung Europas besinnen. Ein kleines Zeichen hätte ihm genügt, klagte er, daß sein Land bald dazugehören wird zum erlauchten Kreis der Wirtschafts- und Agrarunion.

Aber der Litauer wurde von den europäischen Zentralmächten ebensowenig wahrgenommen wie die Abgesandten aus Lettland und der Slowakei. Denn vor der Fortsetzung der europäischen Neuordnung muß der Kongreß noch ein paar Runden ums goldene Kalb tanzen. Schon am Donnerstag hatte der deutsche Kanzler die EU-Kollegen auf die neue Tonart eingestimmt. Deutschland werde in der EU nicht länger mit dem Scheckbuch Diplomatie machen. Der spanische Europastaatssekretär Ramon de Miguel bellte in Wien umgehend zurück: Schröder sei ein „umgekehrter Robin Hood“, der den Armen nehme, um den Reichen zu geben. Das fanden dann auch Österreicher, Schweden und Holländer daneben, wodurch sich langsam die Mannschaftsaufstellung für den Showdown herauskristallisiert.

Denn spätestens auf dem Sondergipfel am 25. März soll die Beitragsverteilung neu beschlossen werden. Dann steht die Agenda 2000 zur Abstimmung, in der es nicht nur um die Finanzlasten für die Jahre 2000 bis 2006 geht, sondern auch um die Reform der Agrar- und Strukturhilfen. Ohne ein zufriedenstellendes Ergebnis, warnte Schröder, werde die Osterweiterung der EU nicht zu meistern sein. Er machte auch klar, was er unter zufriedenstellend versteht: Die EU-Ausgaben müssen gekürzt werden, um ohne zusätzliche Lasten für Deutschland Geld für die Beitrittsländer zu haben.

Die Spanier haben in allen drei Kapiteln am meisten zu verlieren und wollen, daß möglichst alles so bleibt. In der Agrarpolitik werden sie von Frankreich unterstützt, bei den Strukturhilfen für unterentwickelte Regionen von Irland, Portugal und Griechenland. Auf der anderen Seite hat sich Schröder aufgebaut, aber er steht nicht mehr allein. Österreich, Schweden und die Niederlande sind auch Nettozahler und drängen auf Einsparungen. Holländische Diplomaten zeigten sich zufrieden: „Kohl ist im letzten Moment immer eingeknickt, bei Schröder sieht es aus, als ob er hart bleiben könnte.“

Er wird gute Nerven brauchen. Als Ratspräsident ist er gehalten, eigene Interessen zurückzustellen. „Unsere Hauptaufgabe“, sagte Schröder nach zwei Tagen Gipfelerfahrung, „wird es sein, Kompromisse zu finden.“ Das hörte sich schon deutlich vorsichtiger an. Immerhin kann Schröder auf die Entschlossenheit der Niederländer und Österreicher hoffen. Finanzminister Lafontaine hat seinen holländischen Kollegen Gerrit Zalm nach Madrid vorgeschickt, wo er die spanische Regierung weich reden soll. Was er Premier Aznar sagen wird, ist leicht zu erraten. Bis zum 25. März kann Aznar mit einer gebremsten deutschen Position rechnen. Wenn er bis dahin keine Zugeständnisse macht und die Agenda 2000 scheitert, rutscht der Streit in die anschließende finnische EU-Ratspräsidentschaft.

Und da hat die deutsche Regierung dann keinen Anlaß mehr zur Zurückhaltung. „Die ziehen das durch“, warnte ein Diplomat aus Brüssel in Richtung Madrid. Wenn die Spanier sich stur stellten, „gibt's eine Krise“. Das bedeute zwar Verzögerungen bei der Osterweiterung, aber ohne Finanzbeschlüsse gebe es auch keine Strukturmittel und keine Fortsetzung der Mittelmeerprogramme. In Wien hat sich Madrid noch einmal durchgesetzt. Die von fast allen EU-Regierungen geforderte Festschreibung der EU-Ausgaben auf derzeit 165 Milliarden Mark scheiterte am Widerstand Madrids. Das wäre ein erster Schritt gewesen. Aznar hat offenbar gute Nerven.

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