„Unerträglich in unserem Land“

Kurz nach Innenminister Schily besichtigt auch Ausländerbeauftragte Beck das Abschiebelager auf dem Frankfurter Flughafen. Und findet weitaus mehr zu rügen  ■ Von Heide Platen

Frankfurt (taz) – Daß die Menschen nicht satt werden, 80 Männer und Frauen nur zwei nicht abschließbare Duschen benutzen können, Muslimas die Schlafräume mit Männern teilen müssen – das nannte die Bundesausländerbeauftragte Marieluise Beck (Bündnis 90/Die Grünen) gestern nachmittag „katastrophal“ und „unerträglich in unserem Land“. Zusammen mit dem Europaabgeordneten Daniel Cohn-Bendit besichtigte sie das mit Stacheldraht verbarrikadierte Abschiebelager auf dem Frankfurter Rhein-Main- Flughafen.

Im Vorfeld dieses Besuches hatte sich Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) schon am vergangenen Freitag überraschend eingefunden und wesentlich weniger zu rügen gefunden. Marieluise Beck stellte klar, daß sie Schilys Festhalten am Flughafenabschiebeverfahren innerhalb von spätestens 19 Tagen nicht teile. Allerdings sei in den Koalitionsverhandlungen nur „unterhalb dieser Schwelle“ Spielraum gewesen. Beim Thema Asyl habe es „die meisten Hürden und die geringsten Schnittstellen“ gegeben: „Mehr war nicht zu machen.“ In einer Arbeitsgemeinschaft werde es jetzt erst einmal um die Verbesserung der sozialen Bedingungen und der Unterbringungsstandards gehen.

Auch Cohn-Bendit plädierte in den kerosindunstigen Räumen des Flughafensozialdienstes am Rande des Rollfeldes für sofortige Änderungen. Jenseits der zwischen Bund, Land und den Flughafenbetreibern noch immer ungeklärten Kostenfrage könne ein leerstehendes Gebäude auf der ehemaligen Airbase ausgebaut werden: „Dann können die Leute wenigstens mal an die frische Luft gehen.“ Der Streit ums Geld dürfe nicht „auf dem Rücken der Flüchtlinge ausgetragen werden“.

Unabhängig davon, so die beiden Grünen, müsse endlich auch eine Regelung für diejenigen Flüchtlinge erfolgen, die vor nichtstaatlicher Verfolgung fliehen mußten. Das gelte vor allem für die Länder Algerien und Iran. Deutschland und Italien seien die einzigen, die solche wie auch frauenspezifische Fluchtgründe noch nicht anerkennen. Eine Angleichung an diese europäischen Standards sei in den Koalitionsvereinbarungen erstritten worden.

Cohn-Bendit forderte außerdem eine Überprüfung der Abschiebepraxis im Schnellverfahren durch ein unabhängiges Gutachtergremium. Dieses solle prüfen, ob die Anreisenden und oft schon auf dem Rollfeld Zurückgeschobenen „wirklich eine faire Chance haben: Ich glaube das nicht.“

Cohn-Bendit nahm den Bundesgrenzschutz in Schutz, der nur das exekutiere, was geltendes Recht sei, und richtete eine vorsichtige Spitze gegen Innenminister Schily: „Wir werden pädagogisch hart arbeiten müssen, daß der Innenminister eine Sprache findet, die der Situation und nicht dem Niveau des Stammtisches angemessen ist.“