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SPD-Linke im Richtungsstreit

■ Bei der Wahl eines neuen Sprecherrates des Donnerstagskreises wird eine Richtungsentscheidung bei der Privatisierungspolitik erwartet

Der Gesprächskreis der SPD- Linken, der sogenannte Donnerstagskreis, droht auseinanderzubrechen. Die Kungelrunde der Linken dümpelte schon seit längerer Zeit vor sich hin. Mit der Neuwahl des Sprecherrates am Donnerstag abend wird sich nun entscheiden, ob es zu dem dringend notwendigen Erneuerungsprozeß der Parteilinken kommt oder ob sich die Zerfallserscheinungen fortsetzen.

Für einen Generationswechsel an der Spitze der Parteilinken setzen sich der frühere Juso-Vorsitzende Matthias Linnekugel, der Kreuzberger Kreisvorsitzende Andreas Matthae und der Wilmersdorfer Kreisvorsitzende Christian Gaebler ein. Sie sind seit längerer Zeit unzufrieden mit der Führungsriege des Donnerstagskreises. Ihr fehle es an konzeptionellen Überlegungen. „Es reicht nicht, gegen die Große Koalition und gegen die Privatisierung von Landesvermögen zu sein“, kritisiert Linnekugel.

Er ist der einzige des sechsköpfigen Sprecherrates, der erneut kandidieren will. Monika Buttgereit will ihr Sprecheramt niederlegen, auch Thomas Gaudzun, Elga Kampfhenkel und der Pankower Bezirksbürgermeister Jörg Richter wollen nicht erneut antreten. Die neue Arbeitssenatorin Gabriele Schöttler will das Sprecheramt aufgeben, weil dies nicht mit ihrem Senatorenposten vereinbar ist.

Die Neuwahl des Sprecherrates gerät auch zu einer Richtungsentscheidung bei der Privatisierungspolitik. Um die Friedrichshainer Abgeordneten Gerlinde Schermer formiert sich ein Team von entschiedenen Gegnern der Privatisierungspolitik. Ihre beiden Mitstreiter für den verkleinerten, dreiköpfigen Sprecherrat sind Jürgen Müller von der AG der Selbständigen und Gotthard Krupp aus Charlottenburg. Krupp gehört einer trotzkistischen Splittergruppe an.

Die junge Riege um Linnekugel, Matthae und Gaebler will dagegen eine neue Linie für die Linke entwickeln. Sie dürfe sich nicht mehr allein an der Privatisierungsfrage abarbeiten, sondern müsse auch andere Themen besetzen, so Linnekugel. Dazu gehöre beispielsweise die Stadtentwicklungspolitik. Außerdem müsse die Rolle der SPD-Linken in der Hauptstadt neu bestimmt werden. Mit dem Regierungsumzug böte sich die Chance, daß die Berliner Linke auch bundespolitisch wieder an Bedeutung gewinnt.

In einem gemeinsamen Papier mit Schöttler und Kampfhenkel hat das Trio Vorschläge für die Neuorganisation des Donnerstagskreises gemacht. Die Runde, die einen erheblichen Teilnehmerschwund verzeichnet, solle wieder von der Basis her gestärkt werden. Während Anfang der 90er Jahre noch bis zu 150 GenossInnen zu den Plena kamen, sind es inzwischen nur noch etwa 50 TeilnehmerInnen. In der Vergangenheit sei auch versäumt worden, Mitglieder aus dem Ostteil für das Gremium zu gewinnen.

Inhaltlich sei das Papier allerdings dünn, kritisierte der aus der SPD ausgetretene Parteilinke Andreas Wehr. „Die neuen Antworten sind das nicht.“ Auch Matthae räumte ein: „Wir haben noch keine Gesamtstrategie der Linken.“ Das sei innerhalb von drei Wochen auch nicht zu schaffen gewesen. Er mahnte eine Grundsatzdebatte darüber an, welche Aufgaben der Staat noch wahrnehmen solle. Von einer Neuorientierung des Donnerstagskreises verspricht er sich auch wieder vermehrten Zulauf.

Linnekugel hat festgestellt, daß es bei der Besetzung des Sprecherrates den Wunsch nach einem „Generationsmix“ gebe. Ob Parteivizechef Klaus-Uwe Benneter für ein Sprecheramt kandidieren wird, ist allerdings noch ungewiß. Der 68er hatte bislang de facto die Sprecherfunktion wahrgenommen und gilt als Integrationsfigur der Linken. „Bisher habe ich nicht die Absicht zu kandidieren“, sagte Benneter gestern. „Ich kann mir aber vorstellen, daß ich mit Verantwortung übernehme.“ Ihm komme es darauf an, daß sich die Linke nicht sektiererisch verhalte und damit isoliere. Dorothee Winden

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