: Frühstück mit der Guerilla
■ Ab 7. Januar will Kolumbiens Präsident mit der FARC-Guerilla über Frieden verhandeln
Berlin (taz) – „Ich habe eine große Nachricht für das Land und die Welt: Am 7. Januar werden wir den Friedensdialog aufnehmen mit dem Ziel, eine politische Lösung des bewaffneten Konflikts zu erreichen“, erklärte Victor G. Ricardo, der Vertrauensmann von Kolumbiens Präsident Andrés Pastrana, nach einem Treffen mit der Führung der „Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens“ (FARC).
Der Friedensprozeß war in den letzten Wochen ins Stocken geraten. Nach der Räumung von 42.000 Quadratkilometern im Südosten des Landes durch die Armee waren zwei Zankäpfel übriggelieben: Die Verständigung über einen „Gefangenenaustausch“ und die Anwesenheit 120 unbewaffneter Soldaten in einer Kaserne, die nun zum Schauplatz der Gespräche erkoren wurde. Für die Freilassung von 450 inhaftierten Guerilleros bot FARC-Chef Tirofijo an, rund 300 Soldaten und Polizisten nach Hause zu schicken, die teilweise schon mehrere Jahre von den FARC gefangengehalten werden. Über dieses Thema wird ab dem 20. Januar in einer getrennten Runde verhandelt.
Eine Delegation des Parlaments soll einen Gesetzentwurf präsentieren, der für die betreffenden Rebellen eine Freilassung auf Bewährung vorsieht. Hierbei müßten jedoch, so fordert der Journalist Francisco Santos, „die Tausenden von Entführten berücksichtigt werden, die sich in der Gewalt der Guerilla befinden“.
Hinter der Verzögerung beim Abzug des unbewaffneten Militärpersonals aus der Cazadores-Kaserne bei San Vicente de Caguán verbarg sich offenbar ein Tauziehen zwischen Regierung und Armeespitze: Laut Presseberichten weigerten sich die Militärs aus Gründen der „Ehre“, den hotelartigen Komplex zu räumen. Bereits 1995 war die vorsichtige Annäherung des damaligen Präsidenten Samper an die FARC von der Armee sabotiert worden. Ein besonders heißes Eisen sind die Querverbindungen zwischen dem Heer und den Paramilitärs.
Aber auch am Friedenswillen der FARC sind ernsthafte Zweifel erlaubt: Über einen Waffenstillstand könne erst im Verlauf der Verhandlungen gesprochen werden, so die stereotype Sprachregelung der Rebellen. Bereits wenige Stunden nach Ricardos Ankündigung attackierte eine FARC-Einheit eine Polizeistation in der Provinz Nariño.
Ob schließlich die Regierung selbst eine kohärente Friedensstrategie verfolgt, ist ebenfalls umstritten. Die riesigen Löcher im Staatshaushalt sollen – so wird aus dem jüngst vorgelegten Entwicklungsplan der Regierung deutlich – in schlechtester IWF-Manier auf Kosten der Ärmsten gestopft werden. Daher fragt sich der Schriftsteller William Ospina: „Was würde es nützen, mit einigen Kriegern Frieden zu schließen, wenn einem ganzen Volk der wirtschaftliche Krieg erklärt wird?“
Durch seinen jüngsten Schachzug hat Pastrana zunächst politisches Kapital zurückgewonnen: „Ich freue mich auf das baldige Frühstück mit Tirofijo“, verkündete er gestern. Gerhard Dilger
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen