Die Trauer des Komödianten

■ Neu im Kino: „Violent Cop“ – das Erstlingswerk des Gewinners von Venedigs Goldenem Löwen Takeshi Kitano

Auch der erste Spielfilm des „Hana-Bi“-Regisseurs Beat Takeshi Kitano ist von seiner Gefühlslage her absolut monochrom. Überall herrscht Herzlosigkeit. Der unkorrupte, also irgendwie gute Cop Wagatsuma in „Violent Cop“ (1989) trampelt mit seinen Füßen genauso fies und gelangweilt auf wehrlose Täter ein wie der böse Mafiadealer später auf den Cop. Minutenlang wandert die Kamera zwischen dem ernsten Gesicht des Schlägers und dem nicht weniger abgeklärten des Geschlagenen hin und her – und verweigert das erwartete Jetzt-ist's-genug. Im amerikanischen Polizeifilm gibt es irgendwann den einen großen, magischen Moment, in dem das Gute dem Bösen verständnisvoll, mitleidend, identifikatorisch ins Auge schaut: Wir sind doch alle Menschen. Kitano dagegen kultiviert den Dauerhaß: Wir sind doch alle Menschen. Egal ob Polizisten „nicht mal“ eingreifen, wenn ein Kollege halbtot geprügelt wird, ein Mörder „nicht mal“ mit der Augenbraue zuckt, wenn er versehentlich eine junge, schöne, hoffnungsfrohe Passantin ausmerzt, oder Anzugmänner „nicht mal“ im wildesten Kugelhagel in Deckung gehen: Kern jeder Szene ist die Abwesenheit von Emotionen, von Reue, von Angst. Nur ein junger Cop paßt noch nicht ganz in die abgebrühte Welt. Natürlich ist er zutiefst lächerlich, natürlich ist er am Ende der Obermitmacher.

So uniform Kitanos Filmwelt, so vogelwild und antagonistisch sein Leben. Nach armseliger Kindheit, abgebrochenem Ingenieurstudium und einem Fahrstuhlführerjob in einem Tokyoter Edelstripschuppen entwickelte sich der schöne Mann bald zu einem von Japans berühmtesten TV-Comedians. Bis zu sechs Sendungen hatte er pro Woche.

Kitanos Erfolg unter europäischen Cineasten ist wohl ein klassisches Mißverständnis. Denn Kitano tritt auf als Moralist: „Zieht man bloß die erste Hautschicht eines Menschen ab, wieviel Schrecken offenbart sich da? Ich will die Menschen zum Nachdenken bringen ...“ Hierzulande aber wird Kitano eher in der Pulp Fiction-Nachfolge rezipiert: Cool, wie kühl alles ist. Und einige Etüden der Geduld geben dem Zuschauer dann auch noch das Gefühl, einem elaborierten Kunstfilm beigewohnt zu haben; gelassen beobachtet die Kamera den drögen Alltag im Polizeibüro, ohne Hektik heftet sie sich an eine ellenlange, unspektakuläre Verfolgung zu Fuß, ehe das große Gemetzel losgeht. Das ist blutrot und betongrau. Wirklich wie das Leben? bk

Vom 20. bis 22.12. um 20.30 Uhr im Kino 46