Zwischen den Rillen
: Millennium Players

■ Die alte und die kalte Schule des HipHop: Pras hinkt hinterher, RZA geht digital

Alle zwei Jahre ungefähr purzelt in der HipHop-Welt alles durcheinander: Die eine Schule verläßt das Gebäude, und die nächste Generation zieht ein. Da war Dr Dres G-Funk, der von RZAs Shaolin-Style abgelöst wurde, dem schließlich der Puff-Daddy-Style folgte. Der ist nun auch schon wieder zwei Jahr alt, und es wird Zeit für was Neues. Doch bevor es soweit ist, meldet sich mit Pras der letzte der Fugees zu Wort und legt sein Soloalbum vor.

Nun waren die drei von den Fugees, wenn man Puff Daddy die Position des Sonnyboys zuschiebt, die Klassenbesten. Während Puffy schon relativ schnell den Respekt der Älteren verlor, weil er sich mit Leuten wie Sting oder Jimmy Page einließ, konnte Fugee Wyclef weiter mit dem Wohlwollen aller rechnen, obwohl sich seine Solostücke so viel anders auch nicht anhörten.

Doch das war's jetzt. „Ghetto Supastar“ dürfte die letzte Platte der HipHop-Schule sein, die ihren Siegeszug mit Coolios „Gangsta's Paradise“ und der enorm erfolgreichen Fugees- Platte „The Score“ antrat und mit all den Puff-Daddy-Produktionen ihren Höhepunkt hatte. Endlich sind die Samples der Gibb-Brüder alle.

Alles in allem tönt die Platte nicht wirklich spektakulär. Sie ist weder so poppig wie das Soloalbum von Wyclef Jean noch so stilsicher wie Lauryn Hills Solodebüt. Da ist zwar das Titelstück „Ghetto Supastar“ – mit einem irren Gastrap von Ol' Dirty Bastard, der Sachen von sich gibt wie daß er Partys mit Frauen feiert, die niemals sterben, und paranoid wird, wenn er sich selbst rappen hört –, doch der Rest ist halt eher gemäßigt. Noch einmal wird „Electric Avenue“ verbraten, alle möglichen Celebrities reden Pras auf seinen Anrufbeantworter, und die Stücke, die nicht auf wiedererkennbaren Samples beruhen, rollen routiniert vor sich hin.

An dem Punkt wird es kurz interessant: Es deutet sich die Richtung an, in die HipHop sich unter Umständen bewegen wird. Nachdem das Genre in den letzten Jahren zum ökonomisch weltweit bestimmenden Sound geworden ist, geht es darum, HipHop jetzt endgültig zu einer global funktionierenden Popmusik zu machen. Doch den Auftakt dafür dürfte eher Busta Rhymes liefern als Pras, vor allem deshalb, weil er, nachdem HipHop nun die Welt regiert, ihr als erste Amtshandlung Millennium-mäßig den Untergang verordnet. Und das hat definitiv mehr globalen Appeal als Queens „Another one bites the dust“ zu covern und im Video kindergartenkompatibel die Freddie-Mercury-Puppe im Wachsfigurenkabinett vor der Entführung nach Europa zu bewahren.

RZA läßt das alles relativ kalt. Er hat die Schule schon länger hinter sich gelassen, und daß er einer der begnadetsten HipHop-Produzenten der Neunziger ist, gilt als ausgemacht. Jeder seiner Jungs aus dem Wu-Tang-Clan hat mittlerweile seine Soloplatte an den Start gebracht, der Reigen kann als abgeschlossen gelten. Auch die zweite gemeinsame Platte der versammelten Wu-Mannschaft kam vor einem Jahr heraus, und mit den Killa Bees sind diesen Sommer diverse Unterschwärme ausgeschickt worden.

Nun kommt RZA, das Mastermind hinter all diesen Aktivitäten, mit seinem neuesten Spaß: Er wird jetzt digital. Da macht der Rest des Wu-Tang- Clans natürlich gerne mit, die ja immer gerne dabei sind, wenn es darum geht, dem Rest der Welt zu verkünden, daß es sich bei ihnen um keine Fake-ass-Rapper handelt. Also: Alle Analog-Niggaz sollten sich schleunigst vom Acker machen, sonst werden sie vierzig Stock hohe Hochhäuser heruntergeworfen, weil jeder, der jetzt nicht digital geht, hat den Schuß nicht gehört – alles klar, Alta: Dies ist 98, weistuwasichsage?

So ungefähr kann man es sich vorstellen. RZA imaginiert sich in eine Figur namens Bobby Digital hinein, angeblich von einem in Honig getauchten Joint inspiriert. Bobby Digital, der HipHop-Cyborg mit der Knarre, verkörpert so etwas wie Vergangenheit, Gegenwart und auch Zukunft des B-Boys. Die Vergangenheit, weil er sich natürlich nicht nachsagen läßt, nicht schon länger dabeizusein, die Gegenwart wegen Kiffen, Frauen und Champagner, und die Zukunft – nun ja, weil er halt digital ist.

Was es mit diesem digitalen Moment genauer auf sich hat, läßt sich nicht so ohne weiteres entschlüsseln. Am Ende sind es einfach die immer wieder hineinfiependen Rückkopplungsgeräusche, die sich eben nicht nach einem Gitarrenverstärker anhören, sondern nach einem Computer. Ansonsten wird die Platte von der üblichen RZA- Produktionsmeisterschaft regiert, noch weiter getrieben als auf den ungezählten Platten, für die er bisher verantwortlich zeichnete. Fehlgeleitete Streichquartette, stolpernde Pianoloops, endlos stehende Vibraphon-Akkorde und der ganze Rest.

Ob digital oder nicht, musikalisch ist das Album meilenweit allem voraus, was in Europa produziert wird. Nur rappen ist leider nicht die Stärke von Bobby alias RZA. Wer also die Geduld hat, kann auch bis Februar warten, wenn das Album als Instrumentalplatte veröffentlicht werden soll. So verpaßt man allerdings wahrscheinlich das irre, deutschsprachige Intro. Tobias Rapp

Pras: „Ghetto Supastar“ (Columbia/ Sony)

RZA as Bobby Digital: „In Stereo“ (V2)