: Rap & Widerstand
Algerische Rapper artikulieren, was ihren Altersgenossen auf der Seele liegt. „Eine Million sind für die Unabhängigkeit Algeriens gestorben. Und was hat es genützt?“ fragt Reda. Der 25jährige ist Sänger und Texter im Rappertrio Intik. In Militäruniform mit grünem Turban wirbelt er als antikolonialer Guerillero verkleidet über die Bühne. Das Spiel mit dem Mythos des Befreiungshelden kommt an. Selbst die Jüngsten im Publikum singen mit. Gegen staatliche Allmacht, Arbeitslosigkeit und Gewalt, egal von wem sie ausgeht. „Auf einen Nenner gebracht: gegen unsere Perspektivlosigkeit“, sagt Reda.
Intik, das sind drei Musiker aus El Biar, einem bürgerlichen Stadtteil oben auf den Hügeln von Algier. Sie rappen weder auf französisch noch auf hocharabisch. Sie singen in der Sprache, die Algeriens Jugend am besten versteht: in Belda, dem algerischen Arabisch. Ein harter Dialekt, fast ohne Vokale, der mit einigen Vokabeln aus dem Türkischen, der Berbersprache Tamazight und dem Französischen angereichert wurde.
„Mit unseren radikalen Texten stehen wir zwischen zwei Fronten. Für den Staat sind wir Nestbeschmutzer, und für die Islamisten ist unsere Musik Teufelszeug“, sagt Youcef, der bei Intik für die Raggamuffin-Einlagen zuständig ist. Angst habe er keine. „Wenn du an der Reihe bist, dann ist es halt soweit. Schicksal. Da kannste nichts machen.“
Die zweite bekannte Rapband der Hauptstadt sind die Hamma Boys. Ihr Hit „Omar, Opfer der Macht“ handelt vom Sohn eines Mannes, der alles für die Unabhängigkeit Algeriens gegeben hat. Doch während „die da oben in Saus und Braus leben, liegt der arbeitslose Omar in der Gosse“, erklärt Sänger Sofiene. Die drei Jungs aus Hamma, einem der ärmsten Stadtteile Algiers, bedienen sich nicht nur des Belda. Sie rappen auch auf französisch. Ihr größter Wunsch: „Eine Platte in Frankreich herausbringen.“ Dann könnten sie endlich von ihrer Musik leben. Bis es soweit ist, müssen sie sich mit schlecht aufgenommenen Kassetten begnügen, an denen nur der Produzent verdient.
Die jungen Rapper sehen sich in der Tradition von Protestsängern, wie dem im vergangenen Sommer ermordete Berber Lounes Matoub oder den algerischen Rocklegenden der Achtziger wie KG 2. „Nur von einem grenzen wir uns scharf ab, vom Rai“, sind sich alle einig. „Das ewige Habibi, Habibi, dieses Liebling-Liebling-Gesülze hat einfach keine Message. Der Rai ist tot. Der Rap lebt“, sagt Sofiene.
Algeriens Kids scheinen es ähnlich zu sehen. Das Erstlingswerk der Hamma Boys, „L'Algérie, conte de fées“ („Algerien, ein Märchen“), und das Tape von Intik verkaufen sich gut, obwohl weder Radio noch Fernsehen diese Songs spielen. rw
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen