Naßforsch im Dreck der Banalsensation

■ „Quasi-TV“: Quasi die öffentlich-rechtliche Fortsetzung von „Stern TV“ (Sa., 23.35 Uhr, WDR)

Teil 1: Hundebordelle. Billigste Denunziation des Privatmanns Gorbatschow. Fadenscheinig-investigative Enthüllungen aus der Welt der Industrie und des Plateauschuhwerks. – Und das alles nicht etwa bei „Stern TV“ (RTL), „Die Redaktion“ (RTL 2) oder „Akte 98“ (Sat.1), wo man mit derlei Bagatellberichterstattung erfolgreich der Nachfrage hinterherjagt, sondern in einem neuen WDR-Magazin!

Wer will denn, um Himmels willen, so etwas sehen?

Oder anders gefragt: Ist es endlich soweit? Wühlen nun etwa auch die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten im Dreck der Banalsensation, den sie bislang noch weitestgehend den geschmähten privaten Konkurrenten überlassen hatten? Ach, hat der Schmuddel noch vor der nahenden Jahrtausendwende tatsächlich über die Tradition des Seriositätsfernsehens gesiegt?

Ausgerechnet zur Weihnachtszeit schickt nun das einflußreichste Mitglied der großen ARD-Familie ein dreiteiliges Magazin in das Nachtprogramm, das die vorabendlichen „Brisant“-Ausfälle naßforsch in den Schatten stellt: „Quasi TV“.

Da windet sich quasi bereits der Titel und flüchtet kaltschnäuzig in die Unverfänglichkeit des Uneigentlichen, als fürchte man schon vor Sendebeginn des Magazins die Ermittler von der Staatsanwaltschaft.

Teil 2: Hundebordelle? Michel Gorbatschow, ein Westagent aus Sprockhövel? Radioaktiver Anfall im Plateauschuh? – Und das alles nicht etwa bei „Stern TV“, „Echt wahr?“ (Sat.1) oder „Prompt“ (Kanal 4), wo man mit derlei Falschnachrichten erfolglos einer vermeintlichen Nachfrage hinterhergejagt war, sondern in einem neuen WDR-Magazin?

Es ist schon merkwürdig: Selbst „Fiktiv“, das durchaus sehenswerte Fake-Magazin von Kabel 1, hat sich erst kürzlich wieder vom Bildschirm verabschieden müssen. Und dort hatte man immerhin nicht nur mit kuriosen Schnapsideen, sondern auch handwerklich mit durchaus ebenbürtigem Know- how die Boulevardbranche persifliert. Und nun schiebt ausgerechnet der öffentlich-rechtliche WDR dem verebbendem Hype der Unwahrheiten ein dreiteiliges Format hinterher.

Wie leicht hätte „Quasi TV“ da der bieder-humorigen Sensationsaufklärung verfallen, wie schnell der heiter-moralischen Konkurrentenschelte erliegen können. Doch wo Magazine wie „Fiktiv“ selbst in der Parodie über die Selbstbespiegelung nicht hinauskonnten, hat „Quasi TV“ nun wieder den Spaß am Fake entdecken dürfen, ganz lässig – und mit viel Liebe bis ins Detail inszeniert. Christoph Schultheis

Weitere Sendetermine: 29.12., 0.40 Uhr, 30.12., 22.55 Uhr, WDR