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Hamburg '98 wie Frankfurt '74

■ Der Hamburger SV schlägt den 1. FC Nürnberg in strömendem Regen durch zwei Elfmetertore

Thomas Brunner gehört zu einer ganz besonderen Sorte Mensch. Sein Beruf gehört zur Bundesliga wie Plätzchen zur Adventszeit. Er ist Interimstrainer. Immer wenn irgendwo ein Trainer gefeuert wurde oder, wie beim 1. FC Nürnberg, freiwillig zurücktritt, müssen die Red Adairs des Fußballsports einspringen. Brunner löste seine Aufgabe, zumindest auf der Pressekonferenz, hervorragend. Auf die Frage, ob er unter den irregulären Bedingungen die Partie angepfiffen hätte, antwortete er: „Nachdem wir 0:2 verloren haben? In dem Fall sicher nicht.“

„Wir haben 2:0 gewonnen“, entgegnete ihm der reguläre Coach des Hamburger SV, Frank Pagelsdorf, „ich hätte spielen lassen.“ Einen Gefallen hätte er damit aber niemand getan. Das Spiel im Volksparkstadion erinnerte stark an die Weltmeisterschaft 1974, als im Frankfurter Waldstadion Deutschland und Polen mehr Wasser- denn Fußball spielten. Auch am Sonnabend stellten sich die Spieler beider Mannschaften wie blutige Anfänger an, die zum erstenmal gegen den Ball treten. Dank des ausgiebigen Dauerregens war der Boden so tief, daß der Ball in jeder Pfütze liegenblieb.

Zweimal waren die Nürnberger dem Ausgleich ganz nahe. Pavel Kuka ging allein durch den hanseatischen Strafraum und wollte gerade schießen, als eine tückische Wasserfläche das Spielgerät abbremste und der Tscheche ein Luftloch schlug. Ähnlich erging es kurz vor Schluß dem Ex-St.-Paulianer Martin Driller, der bereits die gesamte Abwehr der Hamburger überlaufen hatte, um dann einfach ohne Pille weiter zu laufen.

So genügten eine ordentliche Portion Kampfgeist und zwei Elfmeter für den 2:0-Sieg. Den ersten verwandelte Thomas Gravesen, nachdem der Nürnberger Torhüter Andreas Hilfiker Andreas Fischer umgerissen hatte. Den zweiten Strafstoß verwandelte Vanja Grubac, nachdem er selbst gefoult worden war.

Vor dem Spiel hatte der Vorstandsvorsitzende Rolf Mares noch angekündigt, wenn das Team um Pagelsdorf noch einmal verliere, „dann brennt der Baum“. Dieses Strohfeuer wurde durch den prasselnden Regen gelöscht. Und die Rothosen gehen gelassen in die Winterpause. Vorerst ist in Hamburg keine Stelle neu zu besetzen. Auch nicht die eines Interimstrainers. Eberhard Spohd

HSV: Butt, Hoogma, Panadic, Hertzsch, Fischer, Groth, Babatz, Hollerbach, Gravesen (ab 63. Ernst), Kirjakov (ab 79. Grubac), Yeboah (ab 87. Straube)

Nürnberg: Hilfiker, Lösch, Grasser, Störzenhofecker, Wiesinger, Baumann, Nikl, Bürger, Kurth (ab 64. Driller), Kuka, Ciric

SR.: Meyer – Z.: 19.200

Tore: 1:0 Gravesen (53.), Foulelfmeter, 2:0 Grubac (90.), Foulelfmeter

Gelbrote Karte: Grasser (83.) wg. wiederholten Foulspiels

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