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"Verschwendung ohnegleichen"

■ Wolfgang Gossel, Wasserexperte des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), fürchtet nach der von den Wasserbetrieben angekündigten Kampagne für mehr Verbrauch um den Ressourcenbestand

taz: Die Berliner Wasserbetriebe (BWB) wollen im Frühjahr 1999 eine Kampagne für mehr Wasserverbrauch starten. Was halten Sie von diesem Appell?

Wolfgang Gossel: Davon halten wir als BUND gar nichts. Das ist etwa so, als wenn der Finanzminister dazu aufriefe, mehr Sprit zu verbrauchen, weil er dann die Mineralölsteuer senken könnte. Das ist eine Rohstoffverschwendung ohnegleichen. Die Berliner haben in den letzten Jahren gezeigt, daß sie Wasser sparen können.

Nach Angaben der BWB liegt genau darin das Problem: Wegen des geringen Verbrauchs der Berliner lagern sich laut BWB zu viele Reststoffe in den Leitungen ab, und der Wasserpreis droht zu steigen.

Gerade im Ostteil der Stadt wurde in der Vergangenheit ein Großteil der Abwasserrohre erneuert. In den vergangenen Jahren gab es trotz niedrigeren Verbrauchs nach Auskunft der Wasserbetriebe selber keine größeren Probleme mit Ablagerungen. Für uns gibt es daher keinen Grund, für die Funktionserhaltung des Leitungsnetzes mehr Wasser zu verbrauchen. Zudem müßten die BWB einen Grundpreis zur Abdeckung der Fixkosten und einen Preis für die laufenden Kosten einführen.

Könnten die BWB ihre Kosten senken, indem sie insgesamt weniger Wasser fördern, oder sind dann einzelne Gebiete in Gefahr, regelrecht abzusaufen? Schon jetzt stand in manchen Bezirken Grundwasser in den Kellern.

Vor allem in Johannisthal und Kaulsdorf sind Keller naß geworden. Dort könnte man die Fördermenge erhöhen und gleichzeitig woanders verringern, etwa im Grunewald oder in Friedrichshagen. In der Stadt wäre ein Grundwassermanagement notwendig, das die Wasserförderung vernünftig verteilt.

Aber gerade Johannisthal und etwa auch die Jungfernheide sind stark mit Altlasten aus der Industrie verschmutzt. Könnte man dort mehr Wasser fördern?

Das ist auf jeden Fall möglich. Man muß es nur reinigen. Wir plädieren dafür, die Altlasten zu sanieren. Dann wäre auch zu fragen, ob nicht die Verursacher, etwa Siemens oder Berlin-Chemie, für die Kosten aufkommen müßten.

Wenn Berlin so viel Wasser hat – warum sollte man dann trotzdem Wasser sparen?

Berlin hat recht viel Grundwasser und viel Wasserfläche. Aber die Stadt hat sehr geringe Zuflüsse. Havel und Spree sind sehr kleine Flüsse. Dazu kommt eine negative klimatische Wasserbilanz: Es verdunstet mehr, als es regnet. Insgesamt hat die Stadt also sehr viel langsam fließendes Wasser. Wenn man das fördert, pumpt man aus der Ressource weg. Berlin ist nur scheinbar sehr wasserreich. Interview: Jutta Wagemann

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