Press-Schlag
: Dümpel, stolper, Reck

■ Schalke diskutiert Identitäts- und andere Sorgen

Wenn sie einfach ein bißchen besser spielen würden, gäbe es den Ärger gar nicht. Aber wie sehen diese Auftritte der ehemaligen „Eurofighter“ aus, die im Vorjahr (das bald schon das Vorvorjahr sein wird und damit historisch) den Uefacup gewannen: Dümpel, stolper, ach da, der Ball! Und haste nicht gesehen, ist er auch schon wieder weg. Damals im Mailänder Finale sangen sie auf der Tribüne, beseelt über ihren Auftritt als Provinzfürsten beim europäischen Fußballhochadel: „Und ihr wollt Inter Mailand sein?“

Aber auch ein „Ruhm für die Ewigkeit“ (Parkstadion-Transparent) hält nur bis zur nächsten sportlichen Krise. In dieser Hinrunde hätte wahrscheinlich nicht mehr viel gefehlt und man hätte aus der Nordkurve „Und ihr wollt echte Schalker sein?“ vernommen. Was aber ist ein echter Schalker? Für Rudi Assauer, den Manager, jeder, der das „Trikot des Vereins“ trägt. Das Volk sieht es anders. Das ist für Assauer derzeit sehr unerfreulich. Denn zwar ist es nicht so, daß der Manager das Volk nicht mag, im Gegenteil: Er liebt sie, die „besten Fans Europas“. Sie dürfen auch gern ihre Stimme heben. Aber bitte zum fröhlichen Gesang. Und nicht etwa, um einen eigenen Torwart zu verspotten.

Oliver Reck hat aber selbst schuld. Auch in seinem zweiten Heimspiel hat er fast ein Tor verschuldet und selbst gegen das offensivschwache Gladbach keine Spur von Sicherheit verbreitet. Und: Er hat einen echten Schalker verdrängt. Auf der Tribüne siegt das Sentiment: Mathias Schober ist 22 Jahre alt und seit acht Jahren im Verein. Wozu braucht man da Pannen-Olli von der Weser?

Nur, daß Schalke gegen Gladbach noch 1:0 gewann, dämpfte den Zorn der Tribünen. Vielleicht ist Schober aber gar kein richtiger Schalker. Sicher ist, daß er zu artig ist. Oder zu geizig. Denn seit vergangener Woche weiß man, wie die Zauberformel für Schalker Reservisten heißt: „Ich will Gerechtigkeit.“ Das kostet 6.000 Mark Strafe, dafür darf man aber im nächsten Spiel von Anfang an mitmachen. Bei Ingo Anderbrügge hat's geklappt. Im Rahmen des Anderbrügge-Eklats wurde auch endlich das Geheimnis gelüftet, warum Youri Mulder einst 15.000 Mark wegen eines Konfliktes mit Jörg Berger zahlen mußte. Der Stürmer soll den Trainer am Rande des Entmüdungsbeckens am Kragen gepackt und gedroht haben, ihn fallen zu lassen. Wenig später war man Berger los, ohne ihn wirklich naß machen zu müssen. Was lehrt uns das?

„Steht auf, wenn ihr Schalker seid!“ ist mehr als ein Schlachtruf, es ist ein flammender Appell, seine Meinung kundzutun. Denn am Ende bekommen die, die am lautesten schreien, das, was sie wollen. Und wenn sie schon schlecht Fußball spielen, unterhalten die Schalker so wenigstens mit ihrem Bauerntheater. Dieses Kulturgut ist nämlich die ewigste und immanenteste aller königsblauen Begabungen. Katrin Weber-Klüver