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UN-Waffeninspekteure auf Jobsuche

Nach den Angriffen auf Ziele im Irak kehren heute die für humanitäre Hilfe zuständigen UN-Mitarbeiter nach Bagdad zurück. Die Zukunft der Abrüstungskommission Unscom steht dagegen in den Sternen  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Drei Tage nach Ende der US- amerikanischen und britischen Angriffe kehren die etwa 100 für humanitäre Hilfe zuständigen MitarbeiterInnen der UNO ab heute in den Irak zurück. Ihre Aufgabe ist die Verteilung von Nahrungsmitteln und Medikamenten im Rahmen des UNO-Programms „Öl für Lebensmittel“. Dieses Programm wurde zwar in der Vergangenheit sowohl in Bagdad wie auch von internationalen Experten als „falsch konzipiert“ und „unzureichend“ kritisiert. Doch auch nach den Ereignissen der letzten Tage wurde seine Fortsetzung bislang von keiner Seite in Frage gestellt.

Nach Angaben des deutschen Diplomaten Hans von Sponeck hat das UN-Hilfsprogramm durch die Angriffe einen Rückschlag erlitten. Der Koordinator für humanitäre Hilfe in Bagdad sagte gestern, in Saddam Husseins Heimatstadt Tikrit sei ein Lager mit 260.000 Tonnen Reis zerstört worden.

Während die für humanitäre Hilfe zuständigen UN-Mitarbeiter nach Bagdad reisen, müssen die 90 Inspekteure der UNO-Sonderkommission zur Abrüstung Iraks (Unscom) abwarten. Gestern begannen im UN-Sicherheitsrat erste Beratungen über die Zukunft der Mission. US-Präsident Bill Clinton hatte in seiner Rede zur Begründung der Angriffe am vergangenen Mittwoch die Arbeit der Unscom als praktisch gescheitert dargestellt. Inzwischen fordern die USA und Großbritannien jedoch die schnelle Wiederaufnahme der Arbeit der Waffeninspekteure im Irak. Die Führung in Bagdad lehnt das ab. Diese Haltung könnte in Washington und London als Vorwand für weitere Militärangriffe dienen.

Doch in europäischen Hauptstädten und der New Yorker Zentrale der UNO mehren sich unzufriedene Stimmen über die Unscom und ihren Chef Richard Butler. Nach Rußland plädiert inzwischen auch Frankreich für eine Ablösung des Australiers. Mit seiner auf „dringende Empfehlung“ Washingtons hin erfolgten Anordnung zum Abzug aller Rüstungsinspekteure – eine Maßnahme, zu der nach den Unscom-Regeln nur der Sicherheitsrat oder UN-Generalsekretär Kofi Annan befugt ist – hatte Butler eine Voraussetzung für die Angriffe geschaffen. Zugleich verdichten sich Hinweise, daß Butler die bewertende Zusammenfassung seines jüngsten Berichts in der New Yorker UNO- Botschaft der USA verfassen oder zumindest redigieren ließ. Dieser Teil des Berichts ist im Ton erheblich schärfer als die Sachkapitel und durch die dort ausgebreiteten Fakten nur teilweise gedeckt. Auf diese Zusammenfassung hatten die Regierungen in Washington und London im wesentlichen ihre Begründung für die Angriffe gestützt.

Frankreich fordert eine völlige Neukonzeption der Kontrolle der irakischen Rüstung unter anderem durch verstärkten Einsatz technischer Überwachungsmittel wie Kameras. Doch auch durch ein noch so ausgeklügeltes und flächendeckendes Überwachungssystem lassen sich Kontrollen durch Inspekteure nicht völlig ersetzen. Nicht umsonst sehen alle multilateralen Abkommen über Chemie- und Biowaffen ebenso wie die bilateralen Verträge zwischen Moskau und Washington über die Abrüstung atomarer Waffen regelmäßige Kontrollen vor Ort und Überraschungsinspektionen vor. Wahrscheinlich werden Frankreich, Rußland, China, Brasilien und andere Mitglieder des Sicherheitsrates dafür plädieren, daß die von der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) in Wien festgestellte Beendigung des irakischen Atomwaffenprogramms mit einer Lockerung der Wirtschaftssanktionen gegen Irak honoriert wird. Das könnte Bagdads Bereitschaft zur Kooperation mit einer künftigen Rüstungskontrollinstanz erhöhen. Bislang hatten die Regierungen der USA und Großbritanniens diese Forderung strikt abgelehnt, die Folgen der Angriffe könnten aber auch bei ihnen zum Umdenken führen.

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