piwik no script img

Peru sorgt vor: Wer arm ist, darf keine Kinder kriegen

■ 300.000 Peruanerinnen wurden in den letzten drei Jahren auf Anordnung der Regierung zwangsweise sterilisiert. Das belegt nun eine Studie eines Menschenrechtskomitees. Ärzte und Schwestern wurden zu Eingriffen gezwungen

Berlin (taz) – Rund 300.000 Frauen sind in den letzten drei Jahren in Peru sterilisiert worden – oft gegen ihren Willen, fast immer unter massivem Druck, mitunter ohne ihr Wissen. Das belegt eine jetzt fertiggestellte Studie des Lateinamerikanischen und Karibischen Komitees für Frauenrechte (Cladem), die im Januar an die Regierung Perus übergeben werden soll.

1995, ein Jahr nach der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo, hatte Perus Präsident Alberto Fujimori ein großangelegtes Familienplanungsprogramm angekündigt. Zunächst von der Öffentlichkeit unbemerkt, gehörte dazu auch, die Anzahl von Sterilisierungen zur Reduzierung des Bevölkerungswachstums deutlich zu steigern. Angestellte im staatlichen Gesundheitswesen wurden unter Androhung ihrer Kündigung aufgefordert, bestimmte monatliche Mindestquoten vorzulegen: Ein Arzt mußte etwa fünf, eine Krankenschwester mindestens zwei Sterilisationen vorweisen können. Damit sollten nationale Quoten erreicht werden: 100.000 im Jahr 1996, 130.000 im Jahr 1997 und 165.000 in diesem Jahr. Die Ziele wurden, nach Angaben des peruanischen Statistikamtes, die gestern in der spanischen Zeitung El Pais veröffentlicht wurden, nicht immer erreicht. Die Koordinatorin der Cladem-Studie, Giulia Tamayo, geht dennoch von rund 300.000 Sterilisationen in den letzten drei Jahren aus.

Den Frauen – fast ausschließlich aus armen Bevölkerungsschichten – seien auf sogenannten Sterilisationsfestivals materielle Anreize versprochen worden, falls sie sich sterilisieren lassen. Anderen wurde gedroht, ihnen stünden medizinische Komplikationen bevor, wenn sie nicht in die Sterilisation einwilligten – und wieder andere hatten die Gesundheitszentren aus ganz anderen Gründen ausgesucht und fanden sich plötzlich sterilisiert. Das Programm unterschied nicht nach Alter oder Kinderzahl der Frauen.

Schon 1997 kamen in Peru erste Berichte über massive Probleme bei Sterilisationen auf. Über 200 Einzelfälle aus allen Landesteilen Perus sind jetzt in der Studie detailliert dokumentiert. Manchmal wurden die Frauen schlicht betrogen, manchmal unterschrieb der Ehemann die Einwilligung, andere wurden nicht einmal darüber informiert, daß sie oder ihr Ehemann ein Einspruchsrecht hatten.

Die Regierung stritt zunächst ab, daß ein Quotensystem existierte. Aber die Berichte darüber mehrten sich. Die Studie der Cladem liefert die Beweise, welche die Regierung kaum noch bestreiten kann. Anel Towsend, eine Abgeordnete des peruanischen Parlaments, forderte bereits Anfang des Jahres eine detaillierte Erklärung des Gesundheitsministers Marino Costa Bauer über die Maßnahmen. Bis heute erhielt sie darauf von der Regierung keine Antwort. Jetzt, nach Bekanntwerden der Studie, fordert sie die Bestrafung der Verantwortlichen – „sowohl der politisch Verantwortlichen wie auch derjenigen, die die Operationen durchgeführt haben“. Bernd Pickert

Berichte Seite 5

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen