: Klaus und die Wikinger
■ Für die bierseelige Bagalutenweihnacht mit Torfrock im Aladin putzten auch 50jährige ihre Lederjacke noch mal auf Hochglanz
Weihnachten mit Wikingerflair – diese etwas andere Art, das Fest der Liebe zu feiern, war Sinn und Zweck der sehr gelungenen „Bagaluten-Weihnacht“ am Dienstag im Aladin. Dazu eingeladen hatte eine Band, die wie keine andere für küstenbetontes und damit auch norddeutsches Lebensgefühl steht: Torfrock, eine seit zwanzig Jahren aktive Spaßkapelle, kulturell irgendwo zwischen Krautrock, augenzwinkerndem Germanentheater und Otto Waalkes angesiedelt – eine Band mit Legendenstatus.
500 Fans, meist ältere Semester, waren gekommen, um die Stimmen live zu hören, zu denen schätzungsweise mindestens jeder zweite Norddeutsche schon irgendwann einmal auf einer Party mitgegröhlt hat. „Volle Granate, Renate“ hieß einer der Hits, alle anderen haben ähnlich sinnige Titel, zu denen man aber super mitsingen kann. Und sie alle handeln mehr oder minder direkt davon, wie geil es ist, zu trinken, zu feiern, Sachen zu klauen und Wirtshäuser auseinanderzunehmen – eine Attitüde, die eher an Asterix und Obelix erinnert.
So war es auch am Dienstag abend. Weihnacht und Torfrock, das paßte um einiges besser zusammen als die bemühten Versuche der Toten Hosen, als die Roten Rosen mit selbstgedichteten Weihnachtsliedern Kasse zu machen. Schließlich ist der Weihnachtsmann ein Fettwanst, und die Wikinger von Torfrock sind ebenfalls größtenteils kräftig gebaut.
Schon optisch erfüllten Torfrock alle Erwartungen: Große, alte Kerle mit dicken Bäuchen kloppten da in die Saiten, ließen Bierströme in braune, weiße und graue Bärte fließen, gröhlten und johlten und machten Stimmung. Wikingerhelme und Weihnachtsmützen wurden durch die Gegend geworfen – eine Tollhausatmosphäre, die auch die Leute vor der Bühne ansteckte. Als sich ein 50jähriger Weihnachtsbagalut, der seine alte Lederjacke nochmal auf Hochglanz poliert hatte, einen vollen Plastikbecher Bier über die schüttere Matte kippte, klopften ihm die Umstehenden anerkennend auf die Schulter.
Für besinnliche Momente war an diesem Abend kein Platz, und allzu anspruchsvoll sind die Schweinerock-Akkorde nicht, die die Torfrock-Stücke tragen. Immerhin, eingespielt waren die Bagaluten perfekt, alle Wechsel saßen, und auch die fortschreitende Biervernichtung auf und vor der Bühne änderte nichts an der Präzision. Solche Stimmungsstücke spielen so gute Musiker anscheinend mit links.
Dafür blieb den Musikern mehr Zeit, Kalauer von zweifelhafter Qualität zu reißen und nach kreischenden Besucherinnen zu grabschen. Entscheidend dafür, daß Torfrock Spaß machen, sind ohnehin nicht musikalische Finessen, sondern die rauhen, kehligen Gesangsparts, die witzigen Kalauer und Schüttelreime.
Daß diese Reime verständlich, rauh und herzlich rüberkamen, lag auch an einem prominenten Band-rückkehrer: eine Hälfte des Hitduos „Klaus und Klaus“. Hier, bei Torfrock, hatte der kleinere der beiden Kläuse seine Karriere als Unterhaltungssänger begonnen. Und bei dem Spaß, den der drahtige Hanseaten-Wikinger bei seinem Sängerjob hatte, wird er sie wohl auch bei Torfrock beenden. Denn trotz ihres fortgeschrittenen Alters vermittelten die Torfrocker den angenehmen Eindruck, daß die „Bagaluten-Weihnacht“ eine Show war, die von Herzen kam. Lars Repesgaard
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