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Abschied von Mutter Afrika

■ Ein schwarzer US-Reporter räumt gründlich mit den romantisierenden Afrika-Vorstellungen der Schwarzen auf

Es ist ein Buch voller Zündstoff. Was der Washington Post-Reporter Keith Richburg da unter dem Titel „Jenseits von Amerika“ geschrieben hat, provoziert, und das soll es auch, und zwar vor allem jene Schwarzen in den USA, die in einer Rückbesinnung auf den Kontinent ihrer Vorfahren ihre eigene Identität zu finden glauben oder hoffen. Nein, sagt Richburg, der schwarze Reporter, mit Afrika haben wir nichts zu tun, unsere Identität ist amerikanisch, wir gehören in die USA. Und er ist froh darüber.

Seine Basis sind über drei Jahre Aufenthalt in Afrika als Reporter der Washington Post, drei Jahre, in denen er unter anderem über den Bürgerkrieg in Somalia und den Völkermord in Ruanda zu berichten hatte. Mutter Afrika? „Tut mir leid, aber ich war dort. Mir wurde eine AK-47 unter die Nase gerammt, ich habe mit Hutu-Milizionären gesprochen, die mit ihren Macheten herumfuchtelten und deren T-Shirts noch vom Blut ihrer letzten Opfer bespritzt waren. Ich habe eine Cholera-Epidemie in Zaire, eine Hungersnot in Somalia und einen Bürgerkrieg in Liberia gesehen.“ Und das reicht ihm, um den schwarzen Führern in den USA zu begegnen, die „Afrika als eine Art schwarzes Walhalla“ preisen, „in dem die Nachfahren der Sklaven willkommen geheißen würden und in dem schwarze Männer und Frauen in Würde leben könnten“.

Afrika ist für ihn der Kontinent geworden, wo die Leichen nicht gezählt werden, wo menschliches Leben sinnlos vergeudet wird. Reporter werden in solchen Situationen zynisch – nicht Richburg, sonst hätte er nicht dieses Buch geschrieben. „Jenseits von Amerika“ ist im Gegenteil auch Richburgs Versuch, sich selbst vor dem Zynismus zu bewahren.

Er erzählt von erschlagenen Freunden, von Korruption und Verantwortungslosigkeit der Führungsschichten, von politischer Apathie der Bevölkerungen. Er erzählt sein Leben als schwarzer Korrespondent, der sich in Afrika so fremd und einsam gefühlt habe wie noch nirgendwo sonst und der immer wieder in bedrohliche Situationen kam, gerade weil ihn die Afrikaner für einen der Ihren hielten. Es ist ein desillusionierendes Buch, eine Erzählung quer über den Kontinent, die den Leser in Richburgs eigene Hoffnungslosigkeit mitnimmt, ein politisches Buch voller Emotion – und mit ein bißchen Pathos, wie es nur ein US- Reporter schreiben kann. „Ich habe es satt weiterzulügen“, sagt er, und es ist ihm egal, wessen Vorurteile er mit seinen Schilderungen und Schlußfolgerungen bestätigt. Ist das legitim? Na sicher. Bernd Pickert

Keith B. Richburg: „Jenseits von Amerika. Eine Konfrontation mit dem Land meiner Vorfahren“. Quell Verlag, 360 S., 39,80 DM

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