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„Nachtschicht“ im Schauspielhaus

Daß die tragenden Säulen des Theaters Menschen sind und zu einem Gutteil unerkannt hinter der Bühne werkeln, hat sich inzwischen herumgesprochen. Herumsingen werden sich jedoch bald viel ungeheurere Dinge: Die dekorativen Säulen des Theaters, bis vergangenen Mittwoch ignoriert und verkannt, sind ebenfalls Menschen. Im Schauspielhaus bei Nacht, wenn man sich von hinten hineinschleicht, auf der Bühne Platz nimmt und in den fahl beleuchteten Großen Saal starrt, kann man die Emanzipation der Putten beobachten. Und vor allem hören. „I believe I can fly“, flüstert die eine (Marion Martienzen), dann schmettert sie es und kurz darauf hebt sie ab.

Franz Wittenbrinks jüngster Liederabend, der in der Nacht vor Sylvester im Schauspielhaus umjubelte Premiere feierte, ist ein verträumt-surrealer Reigen von der erdabgewandten Seite des Theaters. „Die Vorstellung ist beendet“, beginnt die Inspizientin die Nachtschichtund gibt damit die Bühne frei für alle Geister, die hier nicht mehr gerufen werden. Gretchen (Ilse Rittert) schwebt mit Schubert auf den Lippen somnambul durch die Ränge, Romeo (Max Hopp) sucht seine Angebetete mit Lennons „Julia“ zu betören. Der aus dem Suff erwachende Regisseur (Markus Boysen) krächzt Dylan, die spanische Putzfrau (Catrin Striebeck) trällert García Lorca, dazu gesellen sich verlorene Bergsteiger, Astronauten, Pizzaverkäufer und andere freundlich-flüchtige Monster der Nacht. Ergreifend, subtil und komisch und im schönsten Bühnenbild der Stadt: Wittenbrink ist ein betörender Abend gelungen.

ck/Foto: M. Scholz

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