Bahn wurde erneut Ziel eines Anschlags

■ Ein Triebwagen der S-Bahn-Linie 4 ist gestern bei Zepernick entgleist, weil Betonplatten und Metallgitter auf den Gleisen lagen. Niemand wurde verletzt. BGS geht von jugendlichen Einzeltätern aus. Ke

Gut eine Woche nach der Festnahme des Bahnerpressers ist erneut ein Anschlag auf die Deutsche Bahn verübt worden. In der Nacht zum Sonntag entgleiste ein Triebwagen der S-Bahn-Linie 4 hinter dem Bahnhof Zepernick im Norden Berlins, als er auf Betonplatten und Metallgitter fuhr, die auf die Schienen gelegt worden waren. Weder der Triebwagenführer noch einer der zwölf Passagiere wurden verletzt. Der Schaden am Zug beträgt etwa 20.000 Mark. Der Bundesgrenzschutz (BGS) geht von Jugendlichen als Täter aus. Der Fall weist laut BGS große Ähnlichkeiten zu dem Anschlag auf den ICE bei Rathenow am 12. November auf. Zwei Jugendliche aus Rathenow hatten sich zu dem Anschlag bekannt.

Um 2.18 Uhr prallte die S 4, die von Bernau Richtung Jungfernheide unterwegs war, auf die Hindernisse. Dabei handelte es sich um 50 Abdeckplatten von Kabelkanälen der Bahn, die direkt neben den Gleisen verlaufen. Sie haben die Ausmaße von Gehwegplatten, erläuterte S-Bahn-Sprecher Ingo Priegnitz. Zusätzlich legten die Täter drei Absperrgitter von einer 50 Meter entfernten Straßenbaustelle auf die Gleise. Diese Gitter hätten die Gefährdung wesentlich erhöht und zu der Entgleisung geführt, sagte der Einsatzleiter des BGS, Detlef Fritzsch.

Der Triebwagenführer habe nach dem Aufprall sofort eine Schnellbremsung eingelegt und sich anschließend um die Fahrgäste gekümmert, berichtete Priegnitz. Mit ihnen sei er gemeinsam zum etwa 300 Meter entfernten Bahnhof Zepernick gelaufen und habe die Passagiere dort in Taxis verfrachtet.

Der BGS geht nicht davon aus, daß es sich bei den Tätern wieder um Bahnerpresser handelt. Die Anschläge des vor Weihnachten festgenommenen Erpressers, der sich „Freunde der Bahn“ nannte, hätten eine „andere Qualität“ gehabt, so Fritzsch. Bei den drei Anschlägen im Dezember wurden Bahnschwellenschrauben entfernt und die Gleise angehoben. Außerdem sei noch kein Bekennerschreiben eingegangen. Ähnlichkeiten gebe es eher zu den Anschlägen in Rathenow im November und Weißensee am 19. Dezember. In beiden Fällen waren Betonplatten auf die Schienen gelegt worden. Oft handele es sich um Täter, die in der Nähe wohnten. Derzeit befragt der BGS die Anwohner der Strecke. Nach den Anschlägen im Dezember hatte der Bundesgrenzschutz seine Kontrollen am Streckennetz durch zusätzliches Personal und Überwachung aus der Luft verstärkt. Diese Maßnahmen seien über die Feiertage nicht unterbrochen worden, sagte Fritzsch, und würden weiter fortgesetzt. In der Nacht setzte die S-Bahn zwischen Buch und Bernau einen Schienenersatzverkehr ein. Mehrere Bautrupps reparierten bis gestern mittag 150 Meter Stromschiene und das Gleisbett.

Um 13.30 Uhr wurde der reguläre S-Bahn-Verkehr wieder aufgenommen. Wie hoch der Schaden an den Gleisen sei, konnte Priegnitz noch nicht beziffern. Jutta Wagemann