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Im Vollrausch durch Dublin

■ Schieres Amüsement mit trockenen Pointen: Conor McPhersons Monolog „Rum and Vodka“ im Theater Friends of the Italian Opera

Was kann einen konsequent peinlichen Absturz posthum adeln? Niemals der Anlaß, doch immer eine gute Geschichte. Der klassische Vollsuff tankt sich erst dadurch mit Sinn auf, daß ausführlich und vor allem hemmungslos von ihm erzählt wird. „Rum and Vodka“ ist ein solches One-man- Besäufnisprotokoll, das der junge irische Dramatiker Conor McPherson fürs Theater verfaßt hat. Der mehrfach preisgekrönte Dubliner gehört mit Enda Walsh („Disco Pigs“) und Marina Carr zum Writer-Wunder der irischen Theaterszene, die sich derzeit durch sozialrealistisches story telling auszeichnet.

Den nach Hochprozentigem betitelten Bühnenmonolog, den der heute 28jährige Autor vor sieben Jahren schrieb, hat sich nun das englischsprachige Theater Friends of the Italian Opera in einer Dubliner Inszenierung (Regie: Colin O'Connor) in den Kreuzberger Hinterhof geladen. Ohne inszenatorischen Schnickschnack kommt dort McPhersons jugendsündiger Erstling als schieres Amüsement daher, das auf trockene Pointen und Wiedererkennungsmomente hin konstruiert ist.

Ein 24jähriger Angestellter (Alexander Downes), verheiratet, zwei Töchter, gesteht dem Publikum die Schandtaten vom Wochenende. Freitags schmeißt er im Affekt seinen Rechner durchs Bürofenster auf den Parkplatz und trifft den Wagen seines Chefs. Damit ist die Lawine losgetreten: Der junge Held pfeift sich in einschlägigen Dubliner Lokalitäten ungezählte Pints, Paracetamols und Rum-Vodkas ein, beichtet seiner Angetrauten die neue Arbeitslosigkeit, wird mit Konserven beworfen, flieht, säuft weiter und verführt eine hübsche Bohemienne mit einem gelallten „Cure my life“.

Als er am nächsten Morgen restalkoholisiert im Bett der Tochter reicher Eltern erwacht, kennt er nichts anderes als Undank: „I realized what a slot she was. I mean – I was a complete stranger. I was a married man!“

Aus dem Gegensatz zwischen „reich und intellektuell“ und „arbeitslos und kleinbürgerlich“ bastelt McPherson skurrile Situationen, fügt eine Prise Gewalt hinzu und läßt den Erzähler in der Nacht auf Montag stillos, aber reuevoll nach Hause zurückkehren. Ob es dabei ernsthaft um die Psyche des narzißtisch gekränkten Familienvaters oder die komplexen sozialen Umstände geht, die ihn antrieben, sei dahingestellt.

Ein Glücksfall ist jedenfalls Alexander Downes, dessen Gestalt trotz allerlei viriler Gesten alles Eindeutige und Klischeehafte absorbiert. Die fröhliche Belanglosigkeit von Rum and Vodka adelt er mit wunderbar kontrolliertem Understatement. Eva Behrendt

Vom 7. bis 15. Januar, 20 Uhr, Friends of the Italian Opera, Fidicinstraße 40, Kreuzberg

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