piwik no script img

Türkische Medien

Das Vorhaben der Union, gegen die doppelte Staatsbürgerschaft eine bundesweite Unterschriftenaktion zu organisieren, stößt auch bei den türkischen Medien auf heftige Proteste. Das Thema bestimmt seit Tagen die Schlagzeilen und die Leitartikel der Deutschland-Ausgaben der türkischen Tageszeitungen.

Stop CDU, Stop CSU

So lautete die Schlagzeile der Hürriyet auf deutsch: „Wie vor Bundestagswahlen schüren die Unions-Parteien unglaubliche Ängste in der Bevölkerung. Angeblich wollen CDU und CSU die Interessen Deutschlands vertreten. Sie bewirken jedoch das Gegenteil. Sie verwandeln Deutschland in ein Museum der Rückständigkeit. Nahezu in jedem EU- Land ist die doppelte Staatsbürgerschaft anerkannt. Deutschland verlangt häufig von der Türkei, daß sie sich an die EU-Standards anpassen soll. Jetzt steht aber die Anpassungsfähigkeit Deutschlands zur Debatte.

Das Staatsbürgerschaftsrecht orientiert sich in allen anderen Ländern an Geburt und gemeinsame Werte. Nur in Deutschland wird an den rassistischen Elementen Abstammung und Blut festgehalten. Warum? Damit die deutsche Rasse rein bleibt?

Unanständigkeit

So betitelt Sabah ihre Schlagzeile und bezieht sich dabei auf einen Artikel der Zeitschrift The Economist: „The Economist wirft der CDU/CSU wegen ihrer Haltung in der doppelten Staatsbürgerschaftsdebatte Rassismus vor. Nach Ansicht der renommierten Zeitschrift ist das Problem nicht die doppelte Staatsbürgerschaft. Vielmehr geht es um die dunkelhäutigen und muslimischen Türken, die in Deutschland leben. Deutschland fügt seinem Ansehen immensen Schaden zu.“(9. 1. 99)

Angst vor türkischem Fernsehen

So lautet die Überschrift des Leitartikels der Sabah, der sich mit Stoibers aktuellen Äußerungen beschäftigt: „Edmund Stoiber ist nicht nur Ministerpräsident. Er ist auch Architekt. Und zwar der Anti-Türken-Kampagne. Seine Hauptaufgabe ist, Ängst zu schüren. Haben Sie gesehen, was er neulich im ZDF über die Einbürgerung der Türken gesagt hat? ,Die Türken, die zu Hause türkische TV-Kanäle sehen, dürften nicht deutsche Staatsbürger werden.‘ Nein, Sie lesen nicht falsch. Wenn Sie wollen, kann man diesen Satz im Umkehrschluß so verstehen, daß deutsche Staatsbürger türkische TV-Kanäle überhaupt nicht sehen dürfen... In dem Deutschland Stoibers gibt es für Türken keinen Platz. Weder als deutscher Staatsbürger noch als Doppelstaatler. Wir ahnen seine Vorstellung über die Lösung des Türkenproblems: ,Steckt sie in die Flugzeuge, schickt sie in ihre Heimat.‘ Wenn regierende Politiker dieses Landes so denken, was soll man von einfachen Bürgern erwarten.“(9. 1. 99)

Stoibers Ausrede: PKK

Über Stoibers Worte, daß die doppelte Staatsbürgerschaft gefährlicher sei als die RAF schreibt die Milliyet: „Stoiber sucht jetzt nach Ausreden, seiner Entgleisung Sinn zu verleihen. Nun greift er in die Kiste der PKK. Er sagt: ,Wenn wir den Türken die Möglichkeit einer doppelten Staatsbürgerschaft einräumen, werden auch die PKK- Militanten davon profitieren. Dann können wir in Deutschland den Terror nicht mehr stoppen. Wenn diese Leute einmal deutsche Staatsbürger sind, können wir sie auch nicht mehr ausweisen.‘ Eine plumpe Ausrede. Was sagt er über die Franzosen und Engländer, die ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht haben: ,Diese Länder sind Imperialisten. Gott sei dank sind wir es nicht...‘“(9. 1. 99) Zusammengestellt: Bülent Tulay

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen