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Aus dem Verkehr gezogen

Nicht-Schwanken genügt nicht: Wer betrunken Fahrrad fährt, muß mit erheblichen rechtsstaatlichen Repressalien rechnen  ■ Von Elke Spanner

Daß Inga F. ihr Taschenmesser zückte, sieht sie im nachhinein selbst als Fehler an. Doch damals war sie zornig, vom Alkohol angestachelt und zudem davon überzeugt, daß die PolizistInnen ihr „nicht einfach so“ ihr Fahrrad anketten dürfen. Konnte sie denn ahnen, daß es BeamtInnen waren, die ihr des nachts auf der Straße „Licht an“ nachriefen? Dann hätte sie wohl kaum „erst mal haben“ zurückgerufen, sagt sie patzig. Und als die sich dann als OrdnungshüterInnen auswiesen und ihr Fahrrad kurzerhand an einem Lichtpfeiler anketteten – „den Schlüssel können Sie sich auf dem Revier abholen, wenn Sie wieder nüchtern sind“ – da habe sie eben das Messer gezogen und ihr Rad zu befreien versucht. Worauf die PolizistInnen es kostenlos zur Wache mitnahmen. Und Inga F. auch.

Carsten B. mußte dagegen für seine alkoholisierte Fahrradtour 816 Mark Strafe zahlen. Selbstredend, daß ihn beim Lesen des Strafbefehls im November der Schlag traf. Denn erst einmal, knurrt er, gab es überhaupt keinen Verkehr, als er in jener Augustnacht durch Bahrenfeld radelte, gefährdet habe er also niemand. Dann habe er auf dem Fahrrad kein bißchen gewackelt, beteuert er. Und außerdem sei er nur noch 100 Meter von seiner Haustür entfernt gewesen. „Die Polizisten hätten mich auch einfach auffordern können, mein Rad nach Hause zu schieben“. Statt dessen mußte er pusten, dann mit aufs Revier zur Blutentnahme. Der Test ergab einen Wert von 2,3 Promille.

Was für Carsten B. der teure Abschluß einer gelungenen Partynacht war, nennt das Gesetz „absolute Fahruntüchtigkeit“. Die beginnt schon ein paar Biere vorher, nämlich bei 1,6 Promille – wenn jemand mit dem Fahrrad den Heimweg antritt. Dann aber hat man auch gleich eine Straftat begangen.

Carsten B. wurde durch eine fröhliche Nacht jedenfalls zum Verbrecher. Um dieses dunkle Kapitel seines Lebens schnell aus den Akten zu tilgen, zahlte er umgehend seine Strafe. „Ich hatte Angst, daß es noch schlimmer kommt, wenn ich Einspruch einlege“, sagt er und nennt den Entzug des Kfz-Führerscheines oder Punkte in Flensburg als mögliche Steigerung.

Natürlich konnte er nicht ahnen, daß auch die prompte Zahlung nicht ohne Konsequenzen bleiben sollte. Er war nämlich zu schnell. Damit war er nicht nur der einzige unter ungefähr 10.000 Menschen, der seine Strafe umgehend beglich, sondern er überwies die Summe auch noch auf einen Schlag, obwohl er sie auch in Raten hätte abstottern können. Damit war er der Verwaltung rund drei Wochen voraus. Als er das Geld längst verbucht wähnte, forderte die Staatsanwaltschaft ihn Ende Dezember plötzlich auf, endlich seine „ab dem 8. Dezember eingetretene Zahlungspflicht“ zu erfüllen und ab sofort monatlich 100 Mark an die Gerichtskasse zu überweisen.

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