: Eine Wahl mit kleinen Schönheitsfehlern
Erwartungsgemäß gewinnt Amtsinhaber Nasarbajew die Präsidentenwahlen in Kasachstan. Konkurrenten waren ausgeschaltet oder nahmen nicht teil. OSZE erkennt die Gültigkeit der Abstimmung nicht an ■ Von Thomas Ruttig
Berlin (taz) – Bei den Präsidentschaftswahlen in Kasachstan scheint alles nach Plan gelaufen. Nach einem gestern von der staatlichen Wahlkommission verbreiteten vorläufigen Ergebnis siegte der 58jährige Favorit und Amtsinhaber Nursultan Nasarbajew mit 81,7 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag nach offiziellen Angaben mit 86,3 Prozent relativ hoch. Als Bester der Herausforderer erwies sich der Chef der Kommunistischen Partei, Serikbolsyn Abdildin, der 12,08 Prozent der Wähler überzeugen konnte.
Allerdings wies die Wahl erhebliche Schönheitsfehlern auf. Während Präsident Nasarbajew schon im Vorfeld von den „ersten freien und fairen Wahlen“ in der Geschichte der früheren Sowjetrepublik sprach, will die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) die Gültigkeit der Wahlen nicht anerkennen. Anfang Dezember hatte eine OSZE-Delegation nach einem Kasachstanbesuch „ernsthafte Zweifel“ geäußert, daß der Wahlgang nach demokratischen Prinzipien verlaufen werde, und eine Verlegung der Abstimmung empfohlen. Folglich entsandte sie nur 15 einzelne Beobachter. Die konstatierten dann auch erneut Unregelmäßigkeiten beim Wahlprozeß.
Kritisiert hatte die OSZE außerdem, daß Nasarbajew seinen gefährlichsten Herausforderer, den früheren Ministerpräsidenten Akeshan Kashegeldin, schon vor Beginn des Wahlkampfes auf fadenscheinige Weise ausbootete. Kashegeldin war wegen Teilnahme an einer nicht genehmigten Veranstaltung der „Bewegung für faire Wahlen“, einem informellen Oppositionsbündnis, zu zwei Tagen Haft verurteilt worden, was ihn einem Gesetz zufolge für die Wahl disqualifizierte.
Auch Karishal Assanow zog sich freiwillig zurück, um durch seine Teilnahme die „Farce“ nicht zu legitimieren. Den Konkurrenten Baltasch Tursunbajew kaufte Nasarbajew mit dem Posten des Vizepremiers. Die OSZE machte sich auch Abdildins Vorwurf zu eigen, die Gegenkandidaten würden in den staatlichen Medien benachteiligt. Während sie über Nasarbajew-Auftritte ausführlich berichteten, standen den Rivalen nur 15 Minuten im Fernsehen und 10 Minuten im Radio zur Verfügung. Mehrere Oppositionszeitungen wurden geschlossen.
Schon durch den Wahltermin hatte der Präsident, an dem der Westen vor allem schätzt, daß er für innenpolitische Stabilität sorgt, die Wahl entschieden. Eigentlich war sie erst im Dezember 2000 geplant. Bis dahin hatte Nasarbajew 1995 bei einem Referendum seine 1990 begonnene siebenjährige Amtszeit verlängern lassen. Vor allem nahm er damit der erwachenden Opposition den Wind aus den Segeln. Sie hatte vor Jahresfrist begonnen, sich in der Bürgerbewegung Azamat zu vereinigen. Die Kommunistische Partei stellte dafür ihre Strukturen bereit. Aber auf die frühzeitige Wahl war sie nur unzureichend vorbereitet. Kashegeldin geht mit seiner Anfang Dezember in Moskau gegründeten Bewegung zudem eigene Wege. Die Azamat-Führung warf ihm vor, er kümmere sich nicht genug um die Sorgen des Landes. Die hätten Nasarbajew im Dezember 2000 auf die Füße fallen können. Besonders der Export von Erdöl- und Erdgas kam wegen mangelnder Pipeline-Kapazitäten noch nicht in Gang. Dagegen sorgten die Reformen nach IWF-Rezept für tiefe soziale Einschnitte. Gegenwärtig macht Kasachstan wieder einen Problemwinter mit Stromabschaltungen und Lebensmittelknappheit durch.
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