„Aufträge nämlich gibt es genug“

■ Noch hoffen die 300 Maschinenbauer in Bremens Traditionsbetrieb Lloyd Dynamo auf einen Retter – und arbeiten erstmal einfach weiter / Seit einem Monat läuft das Konkursverfahren

„Jetzt einfach nochmal bei Null anfangen.“ Holger Riekers vor seinem halbfertigen Generator sagt das ganz ruhig. Und Ulf Michalke, drüben am Werkzeugkasten, dreht sich bei den Worten seines Gruppensprechers nicht mal um. Lieber einfach weiterarbeiten. So lang es noch geht.

Seit einem Monat läuft gegen Lloyd-Dynamo das Konkursverfahren. Holger Riekers aber guckt jetzt zweifelnd seinem Betriebsrat in die Augen und redet dann zögernd weiter: „Aufträge haben wir nämlich genug.“ Warum also nicht einfach nochmal ganz von vorne beginnen mit den Kollegen, den 300 Maschinenbauern, die jetzt endlich auf eigenen Beinen stehen. 66 Jahre hatte Bremens traditionsreiche Elektromaschinenfabrik unter fremden Dächern wirtschaften müssen, erst bei AEG, dann seit 1996 bei der Frankfurter Firma elexis. Die hat sie nun in die Freiheit geschickt – und in den Konkurs.

Nein – Betriebsrat Peter Müller schüttelt den Kopf. Mit den eigenen Beinen der Lloyd-Dynamo klappt das so nicht. Ein Investor muß her. Das wissen alle hier in der Montagegruppe.

Sonst ist spätestens Anfang März Schluß mit lustig für Holger Riekers und seine Kollegen. Doch so genau will der Mann neben dem Windgenerator das jetzt gar nicht wissen. In den letzten zehn Jahren hat er sich an diese Drohungen gewöhnen müssen. „Wir arbeiten weiter“, sagt der 46jährige einfach, „nützt ja nix.“

Oder eben doch. Zumindest die Sanierungsbeiträge will er sich jetzt von der Frankfurter Mutter elexis zurückholen. Riekers war eben oben im Betriebsratsbüro. Sechs Prozent seines Jahresgehalts hatte er der Firma im letzten Jahr überlassen: Zur Rettung von Lloyd-Dynamo. Und auch drüben, der Mann auf dem Sechs-Meter-Gehäuse für Meyer-Papenburgs Schiffsmotoren war schon oben bei der Geschäftsleitung – wegen seines Zeugnisses. „Zu früh, Udo“, winkt Peter Müller kurz ab: „Du willst wohl als erster am Markt sein.“ – „Laß man gut sein, Peter. Ich weiß, was ich will.“

Ohne die Hoffnung auf den Investor, der den Maschinenbauern noch im letzten Moment zur Hilfe eilt, hätte vielleicht so mancher hier den quietschenden Gewindeschneider schon zur Seite gelegt. Noch aber kursieren die Gerüchte. „Ist was dran, an der Sache mit ...?“ „Quatsch!“ – Peter Müller muß häufiger mal mit dem Kopf schütteln, wenn er an den Grüppchen vorbei durch die Hallen streift. Bloß keinen Namen jetzt! „Bisher hat keiner klar gesagt: Wir machen's mit euch.“ Die Kollegen lächeln über soviel Zurückhaltung und hoffen ein bißchen weiter. Wär' doch gelacht! Wär doch gelacht, wenn es in Bremen und umzu nicht irgendwen gäbe, der sich in den großzügigen Werkshallen am Hastedter Osterdeich mal umschauen möchte. „Alles Spezialmaschinen hier“, sagt Peter Müller, „lauter Maschinen für lauter Unikate“: Motoren für Meyer-Papenburgs Luxusliner und Generatoren für Windparks offshore. Und Antriebsmaschinen für Schremmanlagen – für die Kumpel im Bergbau: „Unter Tage ist volle Druckkapselung nötig“, mischt sich Ulf Michalke jetzt doch ein. Der hat sich längst von seinem Werkzeugkasten getrennt und die haarigen Arme auf den Quetschkarren gestemmt: „Jeder einzelne Funke muß sich da totlaufen. Sonst gibt's 'ne Katastrophe.“

Eigentlich erzählt man gerne bei Lloyd-Dynamo. In der Hastedter Niedergangsgeschichte ist nämlich eine Erfolgsgeschichte verborgen, die die Leute auch unter Konkursbedingungen noch an den Schraubenschlüsseln hält: die Geschichte von Qualitätsarbeit und von fünf Jahren lean production – ohne die einstigen Vorarbeiter. Eine Geschichte von vollen Auftragsbüchern: „Wir waren doch gut“, sagt Michalke, „noch im Dezember habe ich Überstunden geschoben und bin auch am Samstag angetreten. Das gabs früher nie in den Wintermonaten.“

Vorbei sind diese Zeiten. Wer heute nicht bei den Altaufträgen gebraucht wird, nutzt das Zeitkonto, das sich in der flexiblen Arbeitszeit angesammelt hat. Man will zwar beweisen, daß man verläßlich ist – bis zum Schluß, oder darüber hinaus. Aber neue Aufträge kann man jetzt nicht mehr reinholen. Und auch neue Schrauben gibt es vom Konkursverwalter nur noch für die laufende Produktion. ritz