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Eifersüchtig auf die Flöte

Mit traditionellen iranischen Instrumenten wie Ney, Tar und Tombak dem DJ zeigen, was ein Beat ist: „Persian Magic“ im Drum&Tribe-Club von Multi-Kulti  ■ Von Andreas Becker

Einmal im Monat wird das Oxymoron in den Hackeschen Höfen sogar Touristen ein wenig unheimlich. Beim Drum&Tribe-Club serviert der holländische Meisterkoch Thino keine Spaghetti-Arien, es tanzen auch keine halbnackten Go-go- Jungs oder Mädchen sexymoronhaft herum. Statt dessen finden im Clubraum Experimente statt, für deren musikalisches Gelingen keiner vorher garantieren möchte.

Auch Tobias Maier von Radio Multi-Kulti nicht. Denn die Clubnächte, die er seit Frühjahr 98 hier organisiert, sind häufig Premieren und einmalige Zusammentreffen von Musikern mit DJs. „Inzwischen haben wir aber ein Publikum, das gerade den Überraschungseffekt schätzt und das keine Lust mehr hat auf synthetische Diskonächte, in denen eigentlich nichts passiert.“

Egal wie perfekt ein Abend gelingt, Musiker und Publikum haben einige Tage später (diesmal 23.1. 20 Uhr) im Radio die Möglichkeit, das Ergebnis noch einmal mit Distanz zu hören. Dafür steht draußen ein Ü-Wagen, in dem geisterhaft die Pegel zucken. Diesmal werden die Leuchtdioden die vielleicht nicht ganz einfache Aufgabe haben, „Persian Magic“ abzubilden.

Hatte man zu Beginn der Radio-Clubnächte teilweise Musiker aus so vielen unterschiedlichen Himmels- und Stilrichtungen zusammengetrommelt, daß auch Leute, die in der Lage sind, zu Free Jazz von Ornette Coleman Klammerblues zu tanzen, nicht mehr wußten, wohin mit den Füßen, läßt man nun Musiker ihre heimliche Wunschcombo zusammenstellen. Konstante Klangkonzeptbestandteile sind nur der Zusammenprall mehr oder weniger traditioneller Instrumente mit DJ-Geräuschoutput, und die garantierte Konzertnachbearbeitung bis in den Morgen durch den gemütlichen Glatzkopf DJ Der Lächelnde Schamane.

Die „Persischen Magier“ sind drei iranische Musiker, die schon unter dem Schah-Regime ausgewandert sind. Die drei nicht mehr ganz jungen Berliner Exilanten, die hier normalerweise traditionelle Musik mit Kollegen aus Kurdistan, Georgien oder Aserbaidschan machen, wären wohl niemals auf die Idee gekommen, zu DJ-Beats auf der Langhalslaute Tar zu spielen. Wenn sie nicht den 21jährigen Karveh Jaryani kennen würden. Der studiert in Potsdam Violine. Als Kind spielte er die Ney, eine persische Flöte, „bis mir die Milchzähne rausfielen“.

Im Drum&Tribe-Club von Multi-Kulti wird er seine Stammesbrüder vor allem beim Kampf gegen die an anderen Abenden manchmal übermächtigen Beats von Festplatten oder Plattentellern unterstützen. Dazu spielt er die traditionelle Trommel Tombak. Der Übungsraum der Band (die natürlich keine ist) ist das Hinterzimmer der Weddinger Pizzeria Gilan in der Weddinger Wiesenstraße. Wenige Schritte vom S-Bhf Humboldthain entfernt kauen hier Weddinger Trinker mit dermaßenem Lokal-Patriotismus am Schultheiß, als wären sie von Spiegel-Redakteuren gecastet. Der Laden wird geschmissen von der Familie des Ney-Flötisten Asgharnia Goorabjeri (Name wird so geschrieben, alle anderen Ankündigungen von Multi-Kulti sind fehlerhaft!).

Mit ihrem DJ Amatiique haben sie sich schon zweimal zu Proben getroffen, am Sonntagabend versammelten sich die Musiker um den Pizzeria-Billardtisch und versuchten den Oxymoron-Auftritt zu simulieren. Zunächst fehlt ein Ghetto-Blaster, um die Cassette mit den DJ-Beats einzuspielen. Bis den ein Freund aufgetrieben hat, erzählen die vier. Im Iran würden alle Arten von Musik von den Mullahs unterdrückt. „Für ein Instrument braucht man quasi einen Waffenschein. Viele Großmeister unserer Instrumente sitzen im Knast oder dürfen keine öffentlichen Konzerte geben“, erzählt Goorabjeri. Die absurde Folge davon sei, das seine Ney, eine Flöte, die aus über zehn einzelnen Bambusstäben besteht (für jede Tonart einer), aus dem Land geschmuggelt werden muß, will ein Musiker reisen. Dadurch gibt es von diversen persischen Instrumenten Miniaturnachbauten, die kein Zöllner findet!

Neben Ney, Tar und Tombak hat man auch einen Sänger dabei, Essfandiar Sadeghzadeh. Der vertont traditionelle Gedichte wie die des Dichters Saidi, der vor rund sechshundert Jahren gelebt hat. Ein Text handelt von der Eifersucht der Nachtigall auf die Flöte Ney. Wie die Nachtigall singen würde, wenn sie sich mit einem DJ verbünden würde, werden wir morgen abend hören.

Drum&Tribe-Club, am Donnerstag ab 22 Uhr, Oxymoron, Hackesche Höfe, Eintritt 10 DM

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