: Walter Momper stürmt ins Abseits
■ Die überraschende Ankündigung Mompers, im Kreisverband Reinickendorf für ein Abgeordnetenhausmandat zu kandidieren, löst in der SPD Empörung aus. Momper hatte den Böger-getreuen Kreisvorsitzenden Roß überg
Wenige Tage vor der SPD-Urwahl um die Spitzenkandidatur für die Wahl zum Abgeordnetenhaus ist es in der SPD zu einem Eklat gekommen. Die Absicht von Walter Momper, im Kreisverband Reinickendorf die Liste für die Abgeordnetenhauswahl 1999 anzuführen, hat zu heftigen Reaktionen geführt. Momper hatte seine Kandidatur mit dem linken Reinickendorfer Oppositionsführer Thomas Gaudszun ausgekungelt und dabei den Böger-getreuen Kreisvorsitzenden Reinhard Roß übergangen. Roß galt bislang als Anwärter auf den ersten Listenplatz.
Neun von 20 Reinickendorfer Abteilungsvorsitzenden unterstützen Mompers Kandidatur, darunter auch zwei, die bislang als Roß- Getreue galten. Damit hätte Momper eine Mehrheit in Reinickendorf. Auf den Bezirk war Momper ausgewichen, nachdem eine Kandidatur in Neukölln, wo er zuletzt 1995 angetreten war, als nicht aussichtsreich erschien.
SPD-Parteichef Dzembritzki, der ebenfalls dem Reinickendorfer Kreisverband angehört, warf Momper gestern einen Verstoß gegen Fairneß und Solidarität vor. Der Kreisvorsitzende Roß erklärte: „Der Vorgang trifft mich sehr.“ Er sei vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Roß, der seit den gemeinsamen Juso-Zeiten in den 70er Jahren mit Momper befreundet ist, bei der Urwahl aber Klaus Böger unterstützt, bezeichnete Mompers Vorgehen als „menschlich schofelig“ und „schäbig“. Als Landesgeschäftsführer habe er Momper unter Rot-Grün stets „den Rücken frei gehalten“.
Doch Mompers Mehrheit könnte bis zur Aufstellung der Reinickendorfer Liste am 23. Februar noch ins Wanken geraten. Nach Angaben von Roß sind in den neun Abteilungen noch keine förmlichen Beschlüsse für eine Kandidatur Mompers gefallen, bislang habe Momper lediglich die Unterstützung der Abteilungsvorsitzenden. „Es wird noch heftige Debatten geben“, erwartet Roß. Er selbst will noch eine Reihe von Gesprächen führen.
Selbst unter Momper-Anhängern gab es gestern Stimmen, die Mompers Chancen durch das jüngste Manöver geschmälert sehen. „Der Zeitpunkt ist nicht ganz klug gewählt, weil jetzt die Emotionen hochschlagen“, sagte der Kreuzberger Kreisvorsitzende Andreas Matthae. Die Abgeordnete Elga Kampfhenkel, die dem engeren Beraterteam von Mompers Urwahlkontrahenten Klaus Böger angehört, sagte: „Der Schuß ist nach hinten losgegangen.“ In der Partei gebe es eine große Sehnsucht nach Harmonie und Einigkeit, sonst spiele man der CDU in die Hände. „Viele sagen sich: jetzt reicht's“, beschrieb Kampfhenkel die Stimmung. Für viele Böger- Unterstützer sei Mompers Vorstoß ein Ansporn, vor der Urwahl nochmal „richtig ranzuklotzen“.
Die CDU reibt sich indessen die Hände. CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky erklärte gestern, „das SPD-Gezänk“ habe einen „hohen Lästigkeitswert.“ Die SPD solle diese Farce beenden und möglichst rasch zur Sacharbeit zurückkehren. Dorothee Winden
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