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Feuer in Port Greve Von Thomas Gsella

Von Gott dem Gütigen ins platte Nirgends zwischen Mittelmeer/Atlantik und – grob gesprochen – Skandinavien geschlotzt und für Reisende daher nicht leicht zu überfallen, ist eine periphere Siedlung namens Holland.

Zwischen 34,3 Grad West und guten neun Grad Nord/Südost liegt's scheu und stumm und sehr agonisch da, vergessen von der Moderne, umschwommen von farbloser Gischt, bevölkert von wütenden Möwen, Frauen mit Hauben und brummenden Bauern in Stiefeln.

Als optischer Primärreiz gilt seit mehreren Äonen jener Fluchtpunkt, an dem das flache Grau des flachen Lands ins Grau des flachen Meeres schwappt, Himmel und Erde sich paaren und zum indifferenten Klumpatsch verpanschen, schön! – und eben hier, im Ferienhauspark Port Greve unweit von Den Ossee/Brouwershaven, befand sich, im Garderoben- und Dielenbereich des Hauses Numero 44, ein bis inklusive 31. Dezember 1998 so weit intaktes Katzenklo. Warum's um Mitternacht dann plötzlich an zu dampfen fing und abbrannte, ist nicht leicht zu rekonstruieren. Sicher ist: wir hatten es, ichsagmal „ausversehens“ angesteckt.

„Wir“: ein achtköpfiger eleganter Boheme-Kreis aus NRW. „Wir“: ein auch im Rückblick ganz erstaunlich grottenblöder Haufen von Arschgeigen, nicht wahr, teils über 40jährige Clubtouristen, gestandene Erwachsene, die im Taumel der Silvesterhysterie und im Auftrag der Dämonen Spaß und Stimmung einer armen kleinen Katze namens übrigens Erika (!) ihr Scheißhaus unterm Arsch wegkokeln! Und zwar mit vollster Absicht! Heißa! Pfui! Wie das gequalmt hat! Bah! Unterbau, Streu, Dach, der kunstgläserne Saloonpendeleingang – alles brannte, loderte und feuerte aufgrund des nahen Jahreswechsels und allerdings auch schließlich: Prämillenniums. Hallo, Feuer 2000!

Leider konnten wir nicht lüften, weil die Katze sonst verduftet wäre. Gestank ist darum gar kein Ausdruck. Es war – nicht auszuhalten. Wer aber kennte nicht die Wirkungen des Alkohols? Er verdunkelt den Verstand, benebelt auch mental, ergießt sich hinterrücks ins diskursive Körperschema, entgrenzt dann den Charakterpanzer und verwirrt am Schluß das Individuum.

Jedenfalls standen wir Punkt 24 Uhr schön brav Spalier im Ätzqualm, umarmten uns und riefen: „Alles Gute!“ – „Darling, komm in meine Arme!“ „Wo bist du denn?“ – „Hier!“ – „Na dann!“ – „Jau!“ – „Ich hör' auf zu rauchen!“ Schlimm. Da paßt es nur ins Bild, daß beim anschließenden Spiel der „Trivial Pursuit Genius Edition“ allein der weltgewandte Dramenautor Sigi sechs Wissensecken kriegte, die anderen etwa drei, ich einen – allen war ja auch ein bißchen schleimig um den Bauch, Stichwort Katzenkloqualm und vorher reichlich Käse-Raclette, schön versetzt mit Blähungsgurke, Brechbrei, Würgefett und Modderschinken: Man hatte an dem „Feier“-Abend wirklich alles falsch gemacht. Na, das war ja ein prima Silvester.

Der Abend wurde dann noch spät, die arme Katze kackte stracks in die Matratze, gemäß dem Slogan „Böller anstatt Brot“ beförderten wir Chinabomben in den Himmel, dann hieß es kotzen.

Alle haben nun eine schöne Erinnerung.

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