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Krise diktiert neue Konditionen

Indem sie das bankrotte Geldhaus Gitic fallengelassen hat, hat die chinesische Regierung mutwillig den Ärger ausländischer Investoren auf sich gezogen  ■ Aus Peking Georg Blume

Das Mondjahr des Hasen ist noch gar nicht angebrochen, da verspricht der Kommunist in Nadelstreifen bereits ein großes Sorgenpaket. „Die Lage der Binnen- wie der Außenwirtschaft läßt 1999 keinen Raum für Optimismus“, predigt Xiang Huaicheng. Seine Landsleute verstehen ihn nicht. Schließlich ist Xiang Finanzminister der Volksrepublik, und bald wird es Neujahr. Seit wann gibt es chinesische Kommunisten, die zu dieser Jahreszeit nicht Wachstum und mehr Wachstum versprechen?

Vielleicht läßt die Lage wirklich keinen Raum für Optimismus. „Unser Exportwachstum wird niedrig sein oder ins Negative rutschen, und die asiatische Finanzkrise verschärft sich weiter“, prophezeit Xiang. „Im Inneren haben wir die Überproduktion, die schwache Nachfrage und die schwache Leistung der Staatsunternehmen. Die Auswirkungen dürfen wir nicht unterschätzen.“

Nie zuvor hat in Peking ein Finanzminister der Reformära so düster über die Wirtschaftsaussichten gesprochen. Und Xiangs Kritik gilt nicht nur einem Teil der Wirtschaft. Wenn die Exporte sinken, die den Wachstumsmotor der vergangenen Jahre bildeten, und wenn zudem der Konsum von einer Milliarde Chinesen nachläßt, der so viele Investitionen anlockte, bleibt nichts mehr vom chinesischen Wirtschaftswunder. Auch wenn es 1998 offiziell noch einmal 7,8 Prozent Wachstum gegeben haben soll.

Doch schon bestätigen sich täglich die schlimmsten Befürchtungen. Eine Welt brach für viele kleine und große Anleger in der Volksrepublik zusammen, als am Wochenende der Bankrott einer der bislang angesehensten Finanzhäuser Südchinas bekanntgegeben wurde. Die Guangdong International Trust and Investment Corporation (Gitic) schuldet jetzt allein ausländischen Kreditgebern 1,2 Milliarden Dollar mehr, als sie zurückzahlen kann. „Ein Schlag ins Gesicht“, nennt ein deutscher Banker in Peking die Ankündigung, daß nur ein Teil der Schulden zurückgezahlt wird. Denn von der ausländischen Großbank bis zum kleinen chinesischen Sparer hatte bisher jeder geglaubt, daß für in Staatsbanken oder anderen staatlichen Finanzinstituten angelegtes Geld in China im Zweifelsfall die Regierung aufkommt. Doch Pustekuchen. Vertraglich garantiert waren die Notopfer des Staates nie, und nun diktiert die Krise neue Konditionen.

Mehr denn je setzt China auf die Binnenwirtschaft. Mit dem Fall der Gitic nimmt die Pekinger Regierung mutwillig den Ärger internationaler Investoren auf sich, weil sie sich von ihnen kurzfristig keine entscheidenden Hilfen erhofft. Großbanken wie die Deutsche Bank und die Dresdner Bank, die bei der Gitic kleinere Millionensummen verlieren dürften, fahren ihr China-Engagement derzeit zurück. Vor diesem Hintergrund soll das harte, marktwirtschaftlich begründete Bankrottverfahren Signale nach innen senden.

Eine der schwierigsten Hausaufgaben des über allen Reformmaßnahmen thronenden Wirtschaftszaren Zhu Rongji ist die Finanzreform. Ohne eine funktionierende Kreditvergabe der vier dominierenden Staatsbanken kann es in China nicht die Ankurbelung der Binnenwirtschaft geben, um die es dem Premierminister jetzt geht. Das Problem: Die vier fraglichen Banken sind faktisch bankrott, da man sie seit Jahren zwingt, Gelder an Staatsunternehmen zu verteilen, die nicht rückzahlungsfähig sind. Langsam werden diese Geldströme nun gekappt. Langsam beginnt man in der „Bank of China“ und den drei anderen Instituten mit dem Risikotraining für Jungmanager. Doch die Krise wirkt zu schnell. Spektakuläre Schritte wie im Fall Gitic sollen da wenigstens noch die marktwirtschaftliche Richtung markieren, in die Zhu den Karren ziehen will.

Noch ist die Glaubwürdigkeit chinesischer Reformpolitik intakt. Das bewies im Dezember die Ausgabe chinesischer Staatsanleihen in New York von einer Milliarde Dollar. Die Nachfrage nach den Pekinger Papieren war überwältigend. Die Chinesen zahlen für die Schuldbriefe sogar weniger Zinsen als die Südkoreaner, die über eine vergleichsweise entwickeltere Volkswirtschaft verfügen, aber weniger Vertrauen genießen.

Nicht zuletzt New Yorker Kredite sollen 1999 für das größte Konjunkturprogramm in der Geschichte der Volksrepublik herhalten. Wenn schon die Finanzreform zu langsam voranschreitet und auch das zweite große Reformvorhaben, die Privatisierung der Staatsbetriebe, lahmt, dann bleibt Peking nichts anderes übrig, als das Steuer wieder an sich zu reißen. Autobahnen sollen nun für die Milliarden des Staates gebaut und die Energieversorgung erneuert werden. Noch ist die Regierung relativ gering verschuldet. Doch es herrscht ein neuer Ton: Im Jahr des Hasen rennt China niemandem mehr davon. Die Regierung selbst gesteht ein, daß die Folgen der Asien-Krise nicht gebannt sind. Ganz im Gegenteil: Man rechnet mit weiteren Einbrüchen.

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