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Dokumentation „Totale Isolation“

Seit dem 13. Juni, dem Tag der bundesweiten Razzia gegen Linksradikale, sitzt der Rendsburger Ralf Milbrandt in Haft; zur Zeit in der JVA Neumünster. Ihm – und drei weiteren Inhaftierten – wird vorgeworfen, an der Herstellung der linken „Untergrunddruckschrift“ „radikal“ beteiligt gewesen zu sein, und damit einer „kriminellen Vereinigung“ anzugehören. Im September wandte sich der Beschuldigte mit einem Brief aus dem Knast erstmals an die Öffentlichkeit. Wir dokumentieren das Schreiben in Auszügen:

„Ich habe schon viele Versuche unternommen, etwas aus dem Knast nach draußen zu schreiben, habe aber alle Entwürfe wieder verworfen. Das hat verschiedene Gründe gehabt. Von Anfang an war es mir ein Bedürfnis, allen Menschen draußen zu vermitteln, was der Angriff vom 13.6. für mich bedeutet hat(...) Gescheitert bin ich zunächst an dem Anspruch an mich, etwas zu schreiben, was „etwas aussagt“.

(...) Die „radikal“ steht seit Jahren für eine (...) nicht zensierbare Gegenöffentlichkeit, (...) die mit Meinungen, Kritik, Diskussionen und Informationen (...) angreift, was in der BRD und weltweit die Freiheit und Gleichberechtigung der Menschen unmöglich macht und bekämpft. Die freie Kommunikation in linken Zusammenhängen wurde und wird aber schon länger verfolgt und bekämpft (...) Doch das, was jetzt eine neue Qualität hat, ist der Vorwurf, daß Menschen nicht für einzelne Inhalte verfolgt werden, sondern wegen der generellen „kriminellen Handlung“ eine Zeitung gemacht zu haben. Losgelöst vom Inhalt wird das alleinige Teilhaben an der Entstehung zur „Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung“ erklärt.

(...) Noch läuft dieses Verfahren –nur– gegen die „radikal“, sollte sich dieses Konstrukt jedoch durchsetzen, kann (...) „radikal“ bald auch durch „interim“, „Angehörigen-Info“, „Junge Welt“, taz, „FR“ ersetzt werden. Wenn diese Möglichkeit auch etwas übertrieben scheint, wird diese Möglichkeit damit zumindest (...) „legalisiert“. Was das für eine Linke in der BRD bedeutet, sollten sich alle fragen, die ein Interesse daran haben, auch weiterhin mehr Informationen zu bekommen als die Presseerklärungen des Kanzleramtes.

(...) Im folgenden will ich jetzt noch ein wenig beschreiben, wie ich die Zeit seit meiner Verhaftung am 13.6. 95 erlebt habe: Nachdem ich an dem Tag um 6 Uhr vom Sondereinsatzkommando geweckt wurde, bin ich zunächst auf die örtliche Wache nach Rendsburg gebracht worden. (...) Nach der Haftbefehlseröffnung wurde ich in die JVA Rastatt verbracht. Die Bedingungen dort erfüllten das Haftstatut vollkommen. Totale Isolation von den anderen Gefangenen, der Blick nach draußen beschränkte sich auf einen fünf Zentimeter Streifen gen Himmel.

(...) Die ersten zweieinhalb bis drei Wochen waren davon gekennzeichnet, den Schnitt zum Leben draußen zu realisieren und einen klaren Kopf zu behalten. Viel Halt gaben mir dabei die vielen Briefe von draußen, die jedesmal eine Art Reise zurück zu den lieben Freunden bedeuteten und bis heute bedeuten. Danach hatte ich den ersten und bisher größten Einbruch. Ich konnte den Schmerz über die Trennung von draußen nur schwer aushalten und begann mich von draußen abzukapseln, mich im Knast einzurichten.

(...) Nach der ersten Haftprüfung am 10.7. (...) wurde ich am 12. 7. 95 im Einzeltransport nach Neumünster verlegt. (...) Ich kann wieder aus dem Fenster sehen, was sehr wichtig für mich ist. Ich habe mittlerweile seit dem 28. 7. auch täglich eine Stunde Einzelhofgang. (...) Den Rest des Tages bin ich isoliert in der Zelle.

(...) Insgesamt fällt es mir immer noch schwer, zu begreifen, daß ich tatsächlich wegen des Vorwurfs, eine Zeitung gemacht zu haben, im Knast bin. Das zu realisieren, hat hier drin eine andere Dimension erhalten, als es draußen der Fall wäre. Mir ist die Realität der politischen Justiz seit langem bewußt und doch erscheint es hier oft absurd. Dieser Umstand führt auch dazu, daß ich in meiner Hoffnung oft schwanke, einerseits oft denke, das ist doch lächerlich und bald wieder vorbei, und andererseits dann wieder die Geschichte begreife und realisiere, daß das deutscher Alltag ist. (...)“

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