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Entwicklungskonzept fürs Chaos

■ Eugen Wagner präsentiert sein „Verkehrskonzept“ / Bahn frei für den Wirtschaftsverkehr, freie Fahrt für freie BürgerInnen Von Marco Carini

Eugen Wagner weiß, wo's lang geht: „Wer glaubt, daß man sich zu großen Teilen vom motorisierten Individualverkehr trennen kann, der irrt“, gibt Hamburgs Bau- und Verkehrssenator die Richtung an. Und er hat ein „Konzept“, ein „Verkehrsentwicklungskonzept“ für das Verkehrschaos. Genauer: Der Senator präsentierte gestern der Öffentlichkeit ein als Konzept bezeichnetes Sammelsurium traditioneller verkehrspolitischer Maßnahmen, das niemandem wehtun soll und ein bißchen mehr von allem will: Mehr Straßen, mehr Bahn, mehr Brummis in Hamburg.

Das wichtigste, vielleicht auch einzige Ziel des „Handlungskonzeptes“ lautet: Freie Fahrt für den voraussichtlich stark anwachsenden Wirtschaftsverkehr, damit die Hamburger Wirtschaft brummt. Damit die LKWs, deren Zahl bis zum Jahr 2010 vermutlich um 50 Prozent anwachsen wird, auch in Zukunft ihre Güter ungehindert kreuz und quer durch Hamburg kutschieren können, soll zumindest der private PKW-Verkehr auf dem Stand von 1990 gehalten werden.

Um das zu erreichen, sieht der Verkehrsplan einen geringfügigen Ausbau des S-Bahn-Netzes und – wenn finanziell möglich – die Einführung mindestens einer Stadtbahnlinie vor, die von Niendorf über die Innenstadt und Winterhude zur City Nord und nach Steilshop führen soll. „Optimistisch“ sei er, frohlockt Wagner, daß der Senat noch „in diesem Jahr“ grünes Licht für die Einführung der Stadtbahn gebe.

Auffällig: der Volkspark, dem der Senat eine neue Mehrzweckhalle und damit gigantische Verkehrszuwächse verordnet hat, soll auch langfristig nicht an die Stadtbahn angeschlossen werden.

Nur „wenige neue Straßen“, so Wagner, sollten in Hamburg und seinem Umland noch gebaut werden. Der Katalog der Wenigkeiten aber ist lang: Ortsumgehung Fuhlsbüttel und Airbus-Trasse in Finkenwerder, Hafenquerspange und vierte Elbtunnelröhre, Ausbau von Sengelmannstraße und Nedderfeld werden im Entwicklungskonzept genauso festgeschrieben wie zusätzliche Fahrstreifen auf Teilen der A1 und A7 und der Neubau der Autobahn A26 nach Stade. Zum Vergleich: Die S-Bahnen sollen nur um drei kurze Teilstrecken erweitert werden: Buxtehude, der Flughafen und Norderstedt sollen so besser an den ÖPNV angebunden werden.

Ansonsten setzt Wagner auf verkehrspolitischen Stillstand: Die Zahl der 28.000 innerstädtischen Parkplätze soll immerhin nicht vermehrt werden, Tempo 30 in Wohngebieten soll zumindest erhalten bleiben, die Alleinzuständigkeit der Baubehörde für den Hamburger Verkehr aber auch. Als „Verkehrspolitik ohne Sinn und Verstand“ schalt der dienstälteste Hamburger Senator die Vorstöße mehrerer Bezirke, die es gewagt hatten, mit weitreichenden Verkehrsberuhigungskonzepten in seinem Terrain zu wildern.

Das als Konzept getarnte Maßnahmenbündel soll nun „zur Überarbeitung“ auf die Reise durch Bezirke, Verbände und Fachbehörden gehen, bevor es im kommenden Jahr von Senat und Bürgerschaft durchgewunken wird.

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