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Zivilisten als Opfer bei Kriegswirren im Kongo

■ Sowohl die Soldaten von Präsident Laurent Kabila wie auch die Rebellen begehen Massaker an der Zivilbevölkerung mit Hunderten von Toten. Kabila befindet sich in der Offensive

Berlin (taz) – In Vorbereitung auf den bisher größten Kongo- Gipfel afrikanischer Staaten, der heute in Sambia beginnen soll, unternimmt die Regierung von Präsident Laurent Kabila in der Demokratischen Republik Kongo ihre bisher größte Offensive gegen die Rebellen in der Osthälfte des Landes. Die schweren Kämpfe in verschiedenen Landesteilen gehen mit Massakern an der Zivilbevölkerung auf beiden Seiten einher.

Die größte Niederlage haben die Rebellen offenbar im Nordwesten des Landes erlitten, wo die von Uganda unterstützte und mit der RDC verbündete MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung) zurückgedrängt worden ist. Kabila erhielt dabei Hilfe von mehreren Ländern: Tschad, dessen 2.000 Soldaten im Kongo seit November eine Kampfpause eingelegt hatten, unternahm Vorstöße mit Bodentruppen. Die Zentralafrikanische Republik, die zwischen dem Kongo und dem Tschad liegt, stellte den Flughafen ihrer Hauptstadt Bangui als Zwischenlandeplatz zur Verfügung und soll einigen Berichten zufolge auch eigene Truppen entsandt haben. Sudan soll Piloten für Luftangriffe auf rebellenkontrollierte Städte vor deren Fall gestellt haben.

Kongolesischen Flüchtlingen in Bangui zufolge töteten die Kabila- Truppen bei der Zerstörung mehrerer Dörfer mindestens 300 Menschen. Tschadische und sudanesische Soldaten hätten Massenhinrichtungen verübt, unter anderem in der Stadt Businga. Dieser Ort sei wie auch die Stadt Genema vollständig geplündert worden. Eine Flüchtlingsfrau sagte gegenüber Journalisten in Bangui, die Kabila- Truppen seien „sehr junge Jugendliche, oft mit geröteten Augen vom Drogengenuß“. Ein Fährmann, der die Kabila-Truppen aus Bangui über den Ubangi-Fluß nach Kongo transportieren mußte, berichtete, die Soldaten hätten den Befehl gehabt, alle Männer im waffenfähigen Alter zu töten.

In den östlichen Teilen des Kongo setzt die Kabila-Regierung auf Luftangriffe, kombiniert mit Vorstößen lokaler Milizen, der sogenannten Mayi-Mayi, die die Herrschaft der von Ruanda unterstützten RCD-Rebellen ablehnen und sich daher mit Kabila verbündet haben. Am Donnerstag griffen die Mayi-Mayi sogar die Stadt Bukavu direkt an der Grenze zu Ruanda an. 50 Menschen wurden dabei nach RCD-Angaben von gestern getötet.

Große Teile des Landesinneren im Osten des Kongo werden offenbar nur höchst oberflächlich von den Rebellen und der mit ihr stationierten Armee Ruandas kontrolliert. Berichten zivilgesellschaftlicher Organisationen zufolge unternehmen die ruandischen Truppen und die RCD-Einheiten hier blutige Feldzüge gegen die Bevölkerung, weil diese sich der „Fremdherrschaft“ widersetzt. Die Menschenrechtsorganisation „Asadho“ spricht von „systematischer Plünderung des Viehs“, „Beraubung der Bevölkerung an Straßensperren“, Zerstörungen von Häusern und Verschleppungen von angeblichen Mayi-Mayi-Sympathisanten. Ein Grund für die Plünderungen und Straßensperren sei, daß die RCD-Soldaten seit längerem nicht bezahlt worden sind.

Gestritten wird nach wie vor um die Vorgänge im Ort Makobola, wo zwischen dem 30. Dezember und 1. Januar angeblich 500 bis 1.500 Menschen getötet worden sein sollen. Die RCD-Rebellen behaupten, sie hätten nach einem Angriff der Mayi-Mayi und burundischer Hutu-Guerillakämpfer zurückschlagen müssen. Kirchlichen Kreisen zufolge flohen die 4.300 Bewohner des Ortes dabei in die Berge, verfolgt von schießenden RCD-Soldaten. Es seien auch viele Leute in ihren Häusern lebendig verbrannt worden. Menschenrechtsgruppen, die solche Vorgänge auch aus anderen Orten melden, fordern eine unabhängige Untersuchung des Vorfalls. Die RCD-Führung hat verkündet, das Massaker in eigener Regie untersuchen zu wollen. Dominic Johnson

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