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Vernünftiger Appell –betr.: „Leben in Pec – eine tagtägliche Demütigung“, taz vom 4. 1. 99

[...] Ich habe nicht die Absicht, auf alle Beiträge von Thomas Schmids einseitig dargestellten Tatsachen und insinuierte Behauptungen einzugehen. Der Autor muß eine derartige tendenziöse Berichterstattung mit seinem eigenen Gewissen ausmachen. Es sei mir lediglich gestattet, auf zwei Momente in dem erwähnten Artikel hinzuweisen, die ohne jeden Zweifel einer Richtigstellung bedürfen:

Erstens, die Behauptung, Präsident Slobodan Milosevic habe „die Autonomie der Kosovo-Albaner abgeschafft“, entspricht in keiner Weise den Tatsachen. Die Verfassung der Republik Serbien räumt den zu ihr gehörenden autonomen Gebieten Kosovo und Metohien sowie der Vojvodina umfangreiche Autonomie-Rechte ein. Dazu gehören die Gleichstellung ihrer Bürger, unabhängig von ihrer nationalen Zugehörigkeit, die Wahl aller Bürger auf die Bildung von politischen Organisationen, auf ihre Wahl in alle staatlichen Funktionen, eigene Kulturinstitutionen, Unterricht der Muttersprache von der Schule bis zur Universität, Herausgabe eigener Zeitungen und Zeitschriften usw. Statt diese an internationalen Standards orientierten autonomen Rechte wahrzunehmen, betreiben separatistische Führer der albanischen Bevölkerung im Kosovo einen Boykott der staatlichen Institutionen Serbiens, einschließlich der Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen, und fordern kategorisch eine staatliche Abtrennung des Gebietes und damit eine territoriale Zersplitterung der Republik Serbien und der Bundesrepublik Jugoslawien. Diese Forderung albanischer separatistischer Kräfte steht nicht nur im Widerspruch zu den Verfassungen der Republik Serbien und der BR Jugoslawien, sondern auch zum geltenden Völkerrecht, darunter zu dem in der Schlußakte von Helsinki feierlich verkündeten Prinzip der Unantastbarkeit der territorialen Integrität der europäischen Staaten. [...]

Zweitens, wider alle Vernunft und gesicherten Erkenntnissen der Untersuchungsorgane behauptet Ihr Korrespondent, daß es sich bei dem blutigen Massaker am 14. Dezember 1998 in Pec „vermutlich um eine Abrechnung unter serbischen Gangs“ handelte. Nach Eingeständnissen aus „UCK“-Kreisen und sorgfältigen polizeitechnischen Untersuchungen ist es erwiesen, daß es sich bei den maskierten Terroristen, die in der Gaststätte in der Stadt Pec mit Maschinenpistolen ein schreckliches Blutbad unter friedlich zusammengekommenen serbischen Gymnasiasten angerichtet haben, das sechs junge Menschen das Leben kostete, um Angehörige der „UCK“ handelte. Dieser beispiellosen Gewalttat folgten in kurzen Abständen weitere terroristische Anschläge, denen neben anderen auch der stellvertretende Bürgermeister der Stadt Kosovo zum Opfer fiel. Gleichzeitig machen die Anführer der „UCK“ keinen Hehl daraus, daß sie sich auf neue Terroranschläge und Angriffsoperationen vorbereiten.

Zu Recht stellte die Financal Times am 25. 12. 98 fest, daß es das Ziel der separatistischen „UCK“ ist, den Friedensprozeß in der Absicht zu unterbrechen, die Nato in den Konflikt hineinzuziehen. Und am gleichen Tag klagte der britische Außenminister R. Cook die „UCK“ wegen der wachsenden Gewalt im Kosovo an und betonte, daß diese für die Bedrohung des Fortschrittes im politischen Prozeß verantwortlich ist. Der Außenminister rief die Albaner wie auch die „UCK“ dazu auf, sich ernsthafter im politischen Prozeß zu engagieren, denn „mit der Waffe werden sie nichts erreichen außer der Fortsetzung des Unglückes des eigenen Volkes“. Sollte es nicht an der Zeit sein, diesen vernünftigen Appell auch mit einer objektiven politischen Lösung des tragischen Konfliktes dienlichen Berichterstattung zu unterstützen, statt weiterhin antiserbische Ressentiments zu befördern und Öl ins Feuer zu gießen? Zoran Jeremic, Botschafter der Bundesrepublik Jugoslawien, Bonn

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