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„Politische Gegenkraft“ im Parkhotel

■ Beim Neujahrsempfang der CDU im Parkhotel gibt sich die Union als die neue Apo. Draußen skandieren neuerdings staatstragende „linke Chaoten“ gegen die Unterschriftenkampagne

Ganz unbehelligt gelangten die CDU-Anhänger nicht ins Bremer Parkhotel. Zwar hatte ein Aufgebot von 150 Polizisten die Nobel-Herberge abgeriegelt, aber der Fußweg zum Neujahrsempfang der Union führte gestern abend dennoch für viele von der Bremer CDU-Basis durch ein Protest-Spalier. 200 Menschen hatten sich versammelt, um ihre Ablehnung der Unterschriftensammlung gegen die doppelte Staatsbürgerschaft kundzutun. „Stoppt die rassistische Hetze“, rief ein Sprecher bei der Kundgebung auf der Hollerallee. „Die ist unerträglich und muß aufhören.“

Drinnen gab die Bremer CDU den vorgezogenen Startschuß für die auch parteiintern umstrittene Unterschriftensammlung. Draußen war die Stimmung aufgewühlt. Am Rande der Kundgebung kam es zu kleineren Rangeleien mit der Polizei. Eine Demonstrantin wurde aus dem Pulk herausgeholt und vorübergehend in Polizeigewahrsam genommen. Die Polizei will gesehen und gehört haben, wie die Frau CDU-Anhänger angefaßt und verbal provoziert hatte. Drei weitere Demonstranten wurden wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt festgenommen. Ein geworfener Stein soll einen Beamtenkopf knapp verfehlt haben. Eine Frau wurde wegen eines Angriffs auf einen Polizisten brutal abgeführt. „Die Polizei soll ihre Aggressionen sein lassen“, skandierten die Demonstranten. Drinnen dankten Redner der Polizei, daß sie die 3.000 Gäste vor dem „linken Mob“ beschützt.

Im Hotel war die Stimmung bemüht entspannt. Die CDU machte sich Mut für ihr Jahr eins als Bonner Oppositionspartei. Der Bremer Ex-Karstadt-Chef Hinrich Blumenberg pries Trinkbecher an. „Jammert mir nichts vor, ich habe CDU gewählt“, stand darauf. Schornsteinfeger verteilten gelbe Schnecken aus Pappe: „Viel Glück CDU für 1999.“

Von den parteiinternen Skeptikern der Unterschriftenkampagne war im Parkhotel nichts zu sehen. Die Gegner des Doppelpasses waren unter dem Parteivolk offenkundig in der Übermacht. „Unterschreiben Sie für die Integration und gegen die doppelte Staatsbürgerschaft“, ermunterte der Moderator die Gäste. An allen Ausgängen waren Tische aufgebaut. Allein im Foyer hatten 120 Leute unterschrieben, noch ehe die als Ehrengast geladene CDU-Generalsekretärin Angela Merkel mit der rot-grünen Bundesregierung ins Gericht ging. „Das machen wir für Deutschland“, war in der SChlange vor dem Unterschriiftstisch zu hören. Die Unterzeichner fordern von einbürgerungswilligen Ausländern „eine klare Entscheidung für Deutschland und für die deutsche Staatsangehörigkeit“, wie es in den aus Bonn gelieferten Informationsblättern heißt. Die Einbürgerung könne erst am Ende einer gelungenen Integration stehen. Ein Herr tat die Ansicht kund, man könne „die Türken nicht in die EU lassen“. „Das können wir nicht machen“.

Der Bremer CDU-Parteichef Bernd Neumann sagte, die CDU müsse „politische Gegenkraft entwickeln“, so wie das durch die Unterschriftenkampagne geschehe. „Ich weiß nicht, was daran verwerflich sein soll“. Bundeskanzler Schröder wisse, daß die Hinnahme der doppelten Staatsbürgerschaft einen „gigantischen Eingriff in die Struktur unserer Gesellschaft“ bedeute. Deshalb reagiere die rot-grüne Bundesregierung so nervös.

cd/kes/fog

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