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Proteststurm gegen Bildungspolitik

■ 1.500 Schüler gingen gegen Schulschließung auf der Straße / Die Deputation zeigt sich unbeeindruckt / Eier auf Bildungsbehörde, Rangeleien auf dem Rembertiring

Eier waren gestern die bevorzugten Wurfgeschossen von 1.500 Schülern, die vor dem Amtssitz von Bildungssenatorin Bringfriede Kahrs (SPD) demonstrierten. Erwartungsgemäß beschloß die Bildungsdeputation mit den Stimmen von CDU und SPD, daß die Schulzentren Huckelriede und Holter Feld geschlossen werden.

Zwei Schüler wurden wegen Aufforderung zu Straftaten und Eierwürfen vorübergehend in Polizeigewahrsam genommen. Von mindestens vier Schülern wurden die Personalien wegen Eierwürfen aufgenommen. Einige Schüler hätten versucht, die Behörde zu stürmen, teilte die Polizei mit. Schüler kritisierten dagegen das harte Vorgehen der Polizei, die Schlagstöcke gegen Schüler eingesetzt hätte.

Gegen beide Schulschließungen stimmten allein die zwei Grünen in der Deputation, die AfB wollte Huckelriede verschonen. Zwei CDU-Deputierte, die im Vorfeld ihren Widerstand angemeldet hatten, wurden von der CDU-Bürgerschaftsfraktion unter Druck gesetzt und stimmten nicht mit. „Es gibt Spielregeln in der Fraktion, und an die habe ich mich gehalten“, erklärte der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Jörg Jäger. Dem CDU-Deputierten Claas Rohmeyer wurde angeblich angedroht, er würde sein Amt in der Deputation verlieren, wenn er gegen die Schließungen stimmt. „Da ist massiver Druck ausgeübt worden“, bestätigte Jens Eckhoff aus der CDU-Fraktion.

Streit gibt es jetzt zwischen den Fraktionschefs von SPD und CDU. Die Parteien schieben sich gegenseitig die Schuld für die öffentlichkeitsschädlichen Schließungen in die Schuhe. SPD-Chef Christian Weber appellierte vor der Deputationssitzung an die CDU, das Holter Feld ein Jahr später als geplant zu schließen. CDU-Chef Ronald-Mike Neumeyer warf Weber daraufhin einen „Publicity-Gag“ vor, da Weber im Vorfeld keinerlei Abstimmungsversuche gemacht habe.

Huckelriede soll nun zum Ende des laufenden Schuljahres geschlossen werden, das Holter Feld zum 31. Juli 2000. SchülerInnen und LehrerInnen müssen in andere Schulen umziehen.

Wortbruch wird Bildungssenatorin Bringfriede Kahrs (SPD) von den SchülerInnen des Holter Feldes vorgeworfen: Entgegen fester Zusagen müßte nun der elfte Jahrgang noch vor dem Abitur umziehen. Auch für die BerufsschülerInnen bedeute der Umzug eine klare Verschlechterung der Ausbildungsqualität.

Kahrs rechtfertigte die Beschlüsse: „Die Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen, aber sie war angesichts der vorhandenen räumlichen Überkapazitäten in den Bereichen gymnasiale Oberstufe und berufliche Bildung notwendig.“ Durch die Standortaufgaben spare man jährlich 1,9 Millionen Mark im Holter Feld und 1,3 Millionen Mark in Huckelriede. Das Schulzentrum Holter Feld soll an Daimler-Chrysler verkauft werden, Huckelriede für drei bis vier Jahre von der Hochschule Bremen genutzt werden. Konkrete Kaufangebote gibt es noch nicht.

Die Schulschließungen seien eine „finanzpolitische Verzweiflungstat und eine bildungspolitische Bankrotterklärung“, erklärte GEW-Sprecher Jürgen Burger. Die Gewerkschaft geht allein von Umzugskosten in Höhe von 5,1 Millionen Mark aus. In vier Jahren seien zudem 800 SchülerInnen mehr als heute in den Klassen 11 bis 13 prognostiziert, so daß dann wieder Raumbedarf entstehe.

Auch der bildungspolitische Sprecher der Grünen, Helmut Zachau, kritisierte die Entscheidungen. „Obwohl das Bildungsressort in beiden Fällen weder konkrete Verkaufserlöse noch die Folgekosten durch notwendige Umzüge benennen konnte, sollen jetzt die Schulzentren dicht gemacht werden.“ Christoph Dowe

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