: Techno-Transmitter
■ Eine Benefiztour für unabhängige Medien in Serbien beginnt heute abend im Pfefferberg
Die Beschneidung der Meinungsfreiheit in Serbien hat in den letzten drei Monaten deutlich an Schärfe zugenommen. Angesichts der wirtschaftlichen und nationalen Probleme hat das serbische Regime die Zensurschrauben enger angezogen und ein Gesetz erlassen, das die Meinungsfreiheit von nichtstaatlichen Zeitungen, Radio- und TV-Stationen weitreichend beschränkt. Das sogenannte Gesetz für öffentliche Information ermöglicht staatlichen Behörden, bei regierungskritischer Berichterstattung Verurteilungen und Strafen innerhalb von 72 Stunden zu vollstrecken. Mit hohen Geldstrafen werden so unbequeme Journalisten direkt ins Gefängnis gesteckt. Die Produktion von drei Tageszeitungen und einer Wochenzeitung wurde bereits eingestellt. Weitere zehn Journalisten sitzen derzeit auf der Anklagebank wegen Aktivitäten gegen die Regierung.
ANEM, die Vereinigung unabhängiger elektronischer Medien in Serbien, ist der behördlichen Verfolgung besonders ausgesetzt. Das Netzwerk besteht aus 50 Radio- und TV-Stationen in Serbien und Montenegro. Mit Internet-Veröffentlichungen verbotener Zeitungen, öffentlichen Podiumsdiskussionen und Solidaritätskonzerten tritt ANEM gegen das Informationsmonopol der Regierung ein (www.opennet.org). An ihrer Speerspitze steht Radio B.92.
Der Sender gewann im letzten Jahr MTVs „Free Your Mind“- Auszeichnung für seine Bemühungen im Kampf für Meinungsfreiheit. Die Preisverleihung wurde live von TV Kosava übertragen, dessen Chefredakteurin Marija Milošević ist, die Tochter des Präsidenten Slobodan Milošević. Als der Name von Radio B.92 fiel, wurde die Sendung sofort unterbrochen.
Mit minimalem technischem Equipment gestalten die Macher von B.92 sowohl eine kritische Auseinandersetzung mit serbischer Politik und Kultur als auch ein Musikprogramm, das die jugoslawische Jugend mit neuen Einflüssen versorgt. Gordan Paunović, Musikredakteur des Senders, erzählt, wie B.92 als erste Station Techno in den Balkan brachten und internationale DJs nach Belgrad holte. Für ihn ist elektronische Musik und die Erfahrung im Club weniger eine Form der Realitätsflucht. Vielmehr sieht er in Partys eine Möglichkeit, um zusammenzukommen. „Wir möchten junge Menschen auf die Zustände da draußen aufmerksam machen. Sie sollen sich gegenseitig helfen und ein gutes Gefühl dabei haben.“
Im Pfefferberg findet heute abend der Auftakt der Benefiz- Tour für „Unabhängige Medien in Serbien“ statt. Künstler und DJs aus Belgrads lebendiger Techno- Szene treffen u.a. auf den House- Pionier John Aquaviva, Fred Giteau aus Paris und den israelischen Videokünstler Ran Mor, um für die Freiheit von Information einzutreten. Uh-Young Kim
Heute ab 22 Uhr, Pfefferberg, mit John Aquaviva, Fred Giteau, Marko Nastić aus Belgrad u.v.a.
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