„Der jetzige Zustand ist einfach unwürdig“

■ Bullenhuser Damm: GAL und Kulturbehörde beteuern Absicht, Gedenkstätte zu halten

Wie das zentrale Holocaust-Denkmal in Berlin aussehen soll, ist immer noch heftig umstritten – einig sind sich jedoch alle, daß es kommen soll. „Da wird eine zentrale Stätte des Gedenkens geschaffen, um Kränze abzulegen und Reden zu halten“, meint Günther Schwarberg, „und kleine Gedenkstätten wie die der Kinder vom Bullenhuser Damm werden vergessen.“ Gestern lud der ehemalige Stern-Reporter und Initiator der „Vereinigung der Kinder vom Bullenhuser Damm“ deshalb zum Lokaltermin in die ehemalige Schule in Rothenburgsort. Seit 1980 erinnert hier eine Ausstellung der Vereinigung an das Schicksal der zwanzig jüdischen Kinder, die im Keller des Gebäudes am 20. April 1945 von SS-Leuten kaltblütig ermordet wurden.

Am 22. Januar 1999 bahnt sich ein Maler seinen Weg durch die Räume der Gedenkstätte; die Heizung läuft nur noch mit halber Kraft. Seit Dezember steht das stadteigene Gebäude leer. Die Gedenkstätte für die Kinder vom Bullenhuser Damm ist seither unter der Woche für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich (taz berichtete). Nur sonntags sorgen MitarbeiterInnen der KZ-Gedenkstätte Neuengamme dafür, daß Interessierte eingelassen werden.

„Dies ist keine Gedenkstätte mehr“, konstatiert Schwarberg. Denn wem sei es zuzumuten, durch diese Baustelle zu gehen, um sich zu erinnern. Dem Maler entgleitet, wie zur Bestätigung, ein Eimer. Wässrige Farbreste fließen auf den Fußboden, werden notdürftig mit Toilettenpapier aufgewischt. Christa Goetsch von der GAL kann sich Schwarberg nur anschließen: „Der jetzige Zustand der Gedenkstätte ist einfach unwürdig.“

Ob sich bald würdigere Umstände schaffen lassen, bleibt weiterhin offen. Derzeit sucht die Hausverwalterin Sprinkenhof AG immer noch nach einem Mieter für das Gebäude. Die Gedenkstätte, so ihr Vorstandssprecher Karl-Heinz Ehlers, sei dabei aber „ein Handicap“.

Auch die Kulturbehörde ist bemüht, die Kellerräume, in denen die Morde geschahen, für die Öffentlichkeit zu erhalten. Geplant sei, so erläutert der zuständige Abteilungsleiter Detlev Landgrebe, die Räume vom Rest des Hauses abzutrennen. Bis Ende Juni diesen Jahres nutze allerdings noch ein Sportverein die Turnhalle der ehemaligen Schule und damit auch die Duschen im Keller, direkt neben der Gedenkstätte. Ungeklärt ist außerdem, wer für Strom, Heizungskosten und die Reinigung der Räume aufkommen soll.

„Es wäre einfach verheerend, wenn diese Gedenkstätte geschlossen werden müßte“, meint Christa Goetsch. Immerhin 120 Gruppen, meist waren es Schulklassen, besuchten im vorigen Jahr die Räume, in denen die Kinder vom Bullenhuser Damm gestorben sind. Seit 1980 kamen rund 250.000 Menschen aus aller Welt in den Keller der ehemaligen Schule. „Gerade Jugendliche“, so weiß die Lehrerin Goetsch aus eigener Erfahrung, „finden hier einen ganz eigenen Zugang zur Geschichte des Holocaust.“ Ob ihnen der erhalten bleibt, ist unklar. Für Günther Schwarberg jedenfalls steht fest: „Schon der jetzige Zustand der Gedenkstätte kommt einer Schließung gleich.“