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Lichtgestalt im Schatten

Wie Ugandas Präsident Yoweri Museveni, ein Vorbild für afrikanische Reformen, mit Krieg und Korruption sein Ansehen einbüßte  ■ Von Andrew Mwenda

Jahrelang stand Ugandas Präsident Yoweri Museveni im Zentrum des besonders vom US-Außenministerium gepflegten „Afro-Optimismus“. Gefeiert als Führer einer „neuen Generation“ afrikanischer Führer, sollte der Vordenker der „afrikanischen Aufklärung“ den Weg zur „afrikanischen Renaissance“ vorleben. Museveni reiste als Held durch die Welt und dachte druckreif über Afrikas Zukunft nach.

Nun aber ist die amerikanische „Pax Africana“ durch Kriege so zerfallen, daß im Negativen, in der Destabilisierung durch grenzüberschreitende Konflikte, neue Maßstäbe gesetzt wurden. Und Präsident Musevenis Ansehen schwindet – unter einer Fülle gravierender Korruptionsfälle.

Im Vorfeld eines Gebertreffens Anfang Dezember sickerten erste Ergebnisse einer Untersuchungskommission des ugandischen Parlaments zu Korruption bei der Privatisierung ugandischer Staatsbetriebe durch. 2,5 Millionen Dollar, die der Regierung von der Weltbank für den Bau einer Reihe kleiner Staudämme anvertraut worden waren, wurden demnach ausgegeben, ohne daß auch nur ein einziger Damm stand.

In der Folgewoche kam es richtig dick. Die Vorwürfe zielten auf Musevenis Bruder Salim Saleh, einer der erfolgreichsten Geschäftsleute des Landes und nebenbei halboffizieller Armeechef. Er mußte zugeben, über ausländische Mittelsmänner verbotenerweise 49 Prozent der zum Verkauf anstehenden größten ugandischen Handelsbank „Uganda Commercial Bank“ an sich gebracht zu haben. Vor der Untersuchungskommission des Parlaments hatte er das noch unter Eid bestritten. Salim Saleh, einer der angesehensten Kämpfer des Buschkriegs, der Museveni 1986 an die Macht gebracht hatte, rechtfertigt seine Aktivitäten so: Die Privatisierung dürfe nicht dazu führen, daß zentrale Teile der Staatswirtschaft an Ausländer verschleudert werden.

Die Parlamentskommission legte nach. In über einem Dutzend Fällen von vermuteter Korruption bei Privatisierungen wies sie gravierende Unregelmäßigkeiten nach. Die Transaktionen seien nicht transparent, nicht den Gesetzen entsprechend, zum Schaden des Steuerzahlers und oft genug zum Nutzen der damit befaßten Minister oder Behördenchefs gelaufen. Neben dem Fall der Phantomstaudämme und der „Uganda Commercial Bank“ machten noch andere Affären Schlagzeilen: zum Beispiel das Verschwinden von rund 2,3 Millionen Dollar bei den zur Privatisierung anstehenden ugandischen Elektrizitätswerken. Oder daß Finanzminister Sam Kuteesa und Salim Saleh beschuldigt wurden, Vorteile aus einer künstlichen Unterbewertung der Serviceanlagen am Entebbe-Flughafen gezogen zu haben, indem sie bei deren Privatisierung die Mehrheit der Anteile zu Spottpreisen aufgekauft hätten.

Salim Saleh gab außerdem zu, beim Ankauf von Secondhandhubschraubern aus Weißrußland für die ugandische Armeen Provisionen erhalten zu haben. Im Mittelpunkt des Skandals standen außer ihm der ehemalige Finanzminister und jetzige Justizminister Mayanja Nkangi, der Privatisierungsminister Matthew Rukikaire und der Arbeits- und Wohnungsbauminister John Nassasira.

Ugandas Medien zeichnen sich schon seit Jahren dadurch aus, daß sie immer wieder Korruption in der öffentlichen Verwaltung aufdecken. Den Bezichtigten passierte aber bisher nie etwas Schlimmeres als die Amtsenthebung – keine Bestrafung, kein Versuch der Regierung, das Geld zurückzukriegen. Aber diesmal war die Wirkung außerordentlich. Seitenweise wurden die Erkenntnisse der Untersuchungskommission in den führenden Zeitungen nachgedruckt. Im Parlament wurden Unterschriften gesammelt, um den des Amtsmißbrauchs und der Bereicherung bezichtigten Ministern das Mißtrauen auszusprechen und ihre Entlassung zu erzwingen.

Konnte sich Museveni bis dahin noch des Rufs persönlicher Integrität erfreuen und galt er quasi als der einzige Heilige des Landes, brachte die Wucht der neuen Beschuldigungen gegen führenden Mitglieder seines Kabinetts und seines persönlichen Umfelds dieses Bild ins Wanken. Seine scheinbare Passivität und die gebetsmühlenhafte Forderung nach weiteren Beweisen für die Schuld der Minister scheinen nicht mehr als der Versuch zu sein, Zeit zu gewinnen.

Musevenis Vorwurf, die Beschuldigungen seien eine Kampagne der Opposition, trifft ins Leere. Prominente Personen von Musevenis regierender „National Resistance Movement“ (NRM) stehen diesmal in vorderster Front der Kritiker im Parlament. Winnie Byanyima, Abgeordnete aus Musevenis Heimatregion Mbarara und Mitglied der NRM-Führung, war eine wichtige Quelle für die Parlamentskommission. Generalmajor Elly Tumwine, ein Vertreter der Armee im Parlament, tritt vor allem dann ins Bild, wenn alte Kriegshelden der Korruption bezichtigt werden und dies mit ihren früheren Leistungen herunterspielen wollen.

Schon zur Jahreswende 1996/97 waren es Byanyima und Tumwine, die zusammen mit der Opposition im Parlament halfen, einen Mißtrauensantrag gegen Grundschulminister Jim Muhwezi durchzubringen. Museveni ließ damals den Minister so lange im Amt, bis er ihn im Rahmen einer größeren Kabinettsumbildung relativ lautlos fallenlassen konnte.

Diesmal trat Privatisierungsminister Rukikaire aus eigenem Antrieb zurück, bevor sich die Kritiker im Parlament formiert hatten. Und für Finanzminister Kuteesa sind die nötigen Stimmen für die Mißtrauenserklärung durch das Parlament zusammen. Zusehends steht auch Ugandas Vizepräsidentin Specioza Kazibwe, gleichzeitig Landwirtschaftsministerin, im Zentrum der Kritik. Im Fall der Phantomstaudämme hat sie auf zahlreiche Hinweise aus ihrem eigenen Ministerium nicht reagiert. Kazibwe ist durchaus kein NRM- Urgestein, aber seit Jahren Vizepräsidentin und als höchstrangige Frau in der afrikanischen Politik ein Symbol für Ugandas Modernisierung.

Die Skandale fallen für Museveni in eine höchst ungünstige Zeit. Uganda aus seinem teuren und riskanten militärischen Engagement in der Demokratischen Republik Kongo zurückzuziehen, ohne mit einem erheblichen Ansehensverlust dazustehen, traut Museveni seinen Freunden nicht mehr zu. Das Kongo-Engagement scheint zudem für ein erhebliches Teil des Offizierskorps vor allem eine Möglichkeit der eigenen Bereicherung darzustellen.

Außerdem kommen die Vorwürfe wenige Monate vor dem Beginn der öffentlichen Diskussion um die Zukunft des politischen Systems des Landes – Aktivitäten politischer Parteien sind zur Zeit noch in Uganda verboten; mit einem Referendum soll im Jahre 2000 der Wähler über ihre Wiederzulassung entscheiden. Zu diesem Zeitpunkt sehen nicht wenige im NRM mehr als je zuvor die Notwendigkeit, das eigene Haus zu säubern, will das NRM nicht seine Glaubwürdigkeit verlieren.

Dies kratzt direkt an Musevenis Autorität. Die beschuldigten Minister hat er persönlich ausgesucht, und sie stehen ihm allesamt sehr nahe. Alle stammen aus Musevenis Heimatregion, dem Südwesten Ugandas, und sind aus dem Bahima-Volk wie er. Die meisten sind mit ihm verwandt oder verschwägert – mit einem Präsidenten also, der wie kaum ein anderer in Afrika gegen Vetternwirtschaft, Tribalismus und Korruption wettert.

Generalmajor Salim Saleh ist Musevenis Bruder, Finanzminister Kuteesa sein Schwager und die Frau des zurückgetretenen Privatisierungsministers Rukikaire ist nicht nur die Assistentin von Präsidentengattin Janet Museveni, sondern auch deren enge Freundin und Verwandte. Drei von vier der angeklagten Männer sind Mitkämpfer Musevenis aus alten Guerillazeiten.

Da ließen es sich selbst die Geldgeber nicht nehmen, Museveni während ihrer gemeinsamen Tagung die lange Liste der Korruptionsfälle vorzuhalten. Auch daß mindestens 40 Prozent des ugandischen Staatshaushalts für den Krieg im Kongo abfließt, wurde angesprochen. Dabei waren sie es selbst gewesen, allen voran die Weltbank und der Internationale Währungsfonds, die Uganda als Beispiel für good governance weltweit zu Ansehen gebracht und mit einem Strom internationaler Hilfsgelder ausgestattet hatten.

Die Geldgeber legten eine Untersuchung der Weltbank vor, nach der Uganda jedes Jahr 250 bis 350 Millionen Dollar durch Korruption verliert. Nur 36 Prozent der öffentlichen Ausgaben erreichten die Zielgruppe. Westliche Diplomaten zeigen sich auch von Museveni persönlich enttäuscht. Er habe weder eine konkrete Strategie im Kampf gegen die Korruption aufgezeigt, noch ernsthafte Schritte gegen korrupte Beamte eingeleitet. Aber am Ende gab es keine Abstriche an der Unterstützung für Ugandas Regierung. 2,2 Milliarden Dollar wurden innerhalb der laufenden Dreijahresplanung zugesagt. Museveni wurde aber darauf festgelegt, den Geldgebern persönlich für die Bekampfung der Korruption in der Regierung rechenschaftspflichtig zu sein.

Angesichts des Schwalls von Vorwürfen gegenüber Mitgliedern der Museveni-Regierung darf man nicht vergessen, daß andere Teile des Privatisierungsprozesses durchaus erfolgreich waren – dies gilt vor allem für den Brauereibereich und Softdrinkhersteller sowie teils für Hotels –, und daß auch die Opposition ihren eigenen Skandal hat. Der der Opposition angehörende Bürgermeister der Hauptstadt Kampala, Hajji Nasser Ssebagala, wurde am 4. Dezember 1998 von einem US-Gericht unter anderem des mehrfachen Scheckbetrugs für schuldig befunden und wartet dort weiter auf die Verkündigung des Strafmaßes. Alle Anklagepunkte zusammen könnten ihm mehr als lebenslänglich einbringen.

Doch die Vorgänge in Uganda zeigen ein Grundproblem der Entwicklungspolitik. Reichlich fließende Mittel der internationalen Geber, die Privatisierung der Staatsbetriebe und teure Beschaffungsmaßnahmen für die in mehrere militärische Auseinandersetzungen im Norden und Westen des Landes und im Kongo engagierte Armee schufen Geldtöpfe und Anlässe, die schnelles Zugreifen ermöglichten. Es ist kein Wunder, daß gerade in diesen drei Bereichen die größte Korruption zu finden ist.

Steigende Hoffnungen sind nun in Uganda auf die Geldgeber gerichtet. So sehr ihnen auch das Modell Uganda mit dem vom Marxisten zum Prediger des freien Marktes gewendeten Museveni lieb sein mag – ihnen sollte auch an ihrem eigenen Geld so viel gelegen sein, daß sie gegen dessen Verschwendung einschreiten.

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