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Panik bei den „fetten Katzen“

Auf ihrer Exekutivsitzung in Lausanne versuchen die obersten Olympier verzweifelt, nicht die Kontrolle über die Bewältigung der Korruptionsaffäre im IOC zu verlieren  ■ Von Matti Lieske

Berlin (taz) – Große Mühe gaben sich die Bewahrer der Olympischen Ringe am Wochenende in Lausanne den Eindruck zu erwecken, daß sie alles tun, den Korruptionsskandal um die Vergabe von Olympischen Spielen aus eigener Kraft zu bewältigen. Am Samstag diskutierte das Exekutivkomitee des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) bis weit nach Mitternacht über den Untersuchungsbericht des IOC-Vizepräsidenten Richard Pound zur Affäre Salt Lake City. Gestern wurde dann bekannt, daß die IOC-Führung auf seiner Vollversammlung im März sieben Mitglieder ausschließen will. Bis dahin sind diese „Olympier“ von allen Aktivitäten im Namen des IOC suspendiert.

Den ganzen Tag über war debattiert worden. Sechs der 16 IOC- Mitglieder, denen verschiedenartige Verstöße gegen die IOC-Regeln – von der Annahme warmer Jacken bis zur Einkassierung beträchtlicher Geldsummen – vorgeworfen werden, waren zwecks Rechtfertigung erschienen, zwei – die Finnin Häggman und der Libyer Attarabulsi – hatten sich durch Rücktritt schon vorher dem peinsamen Verhör entzogen.

Pounds Untersuchungen ergaben, daß Salt Lake City mehr als 780.000 Dollar illegal in IOC-Mitglieder investierte, gehen aber weit über die Spiele 2002 in Utah hinaus. Schon in den frühen 80er Jahren habe es derartige Vorgänge gegeben. Für das IOC geht es jetzt darum, durch einschneidende Maßnahmen wie den Ausschluß der überführten Personen sowie weitere Nachforschungen seinen schwer lädierten Ruf halbwegs wiederherzustellen. Außerdem herrscht große Furcht vor der Obrigkeit. Es habe „abzulehnendes, aber kein kriminelles Verhalten“ gegeben, behauptet Pound, der besonders die Grand Jury fürchtet, die den Fall in den USA auf Anweisung von Justizministerin Janet Reno untersucht. Hier wird auch jene Sekretärin des Bewerbungskomitees von Salt Lake City aussagen, die den Skandal ins Rollen brachte, aber eine Kooperation mit der Pound-Kommission verweigerte. Das IOC vor der Grand Jury, ein Sonderermittler wie Kenneth Starr auf den Fersen des hochwohlgeborenen Juan Antonio Samaranch, das sind veritable Horrorvorstellungen für das IOC.

„Wir bleiben zuversichtlich, daß nach dem Sturm wieder Ruhe einkehrt“, glaubt IOC-Präsident Samaranch, doch es mehren sich Zweifel, ob es genügt, wenn das IOC selbst jene Korruption bekämpft, die es jahrelang stillschweigend geduldet hat. Mag Samaranch auch stur die letzten zwei Jahre seiner Amtszeit absitzen, seine Ära, die 1981 begann, dürfte vorbei sein. Wohlgefällig pflegt der Katalane von der „Olympischen Familie“ zu sprechen, und genauso benahm sich das IOC auch. Allen voran Samaranch selbst, der keiner Vergünstigung aus dem Weg ging, sich luxuriöser verwöhnen ließ als jeder Maharadscha und das leuchtende Vorbild war für jene Clique von „tattrigen, fettkatzigen Schmarotzern“ (Wall Street Journal), die Olympia stets als Familienbesitz begriff. „Das Paradoxe ist, daß die Olympischen Spiele als privater Klub gegründet wurden“, hat François Carrard erkannt. Besser als der Generaldirektor des IOC hätten auch dessen schärfste Kritiker den Kern des Problems kaum formulieren können.

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