piwik no script img

Japans Exportüberschuß als diplomatisches Problem

■ Die japanische Außenhandelsbilanz 1998 weist einen Rekordüberschuß von 1.400 Milliarden Yen aus. Jetzt droht wegen gestiegener Stahlexporte ein Handelskonflikt mit den USA

Tokio (taz) – Im rezessionsgeplagten Japan stehen Baukräne still, und die Fließbänder der Autoproduzenten sind nicht mehr ausgelastet. Die Krise herrrscht bei den wichtigsten Abnehmern für Stahl, und das schädigt ihre Zulieferer, Japans Stahlproduzenten. Auf die Nachfrageschwäche im Inland hat die Stahlindustrie im Jahre 1998 mit erhöhten Exporten in die USA reagiert und prompt einen Handelskonflikt heraufbeschworen. Von Montag bis Mittwoch war der stellvertretende US- Handelsbeauftragte Richard Fisher in Tokio, um das heikle Thema zu besprechen. Es droht ein Handelskrieg mit den USA.

Zwar erklärte Fisher, die USA wollten alles unternehmen, um eine Auseinandersetzung wie 1995 zu vermeiden. Doch die japanische Regierung ist besorgt, die USA könnten „einseitige Maßnahmen“ ergreifen. Denn die Exportstrategie der japanischen Industrie wird von den USA als „aggressiv“ eingeschätzt. Ein schwacher Yen und die erhöhte Nachfrage in den USA und Europa haben dem asiatischen Riesen geholfen, seine Außenhandelsbilanz markant zu verbessern. 1998 ist der Exportüberschuß um 14,4 Prozent auf 1.400 Milliarden Yen (etwa 195 Mrd. Mark) gestiegen. Fast die Hälfte des Überschusses (670 Mrd. Yen) ist im bilateralen Handel mit den USA erwirtschaftet worden. Das entspricht einer Steigerung von über 32 Prozent gegenüber dem Vorjahr und ist seit 1987 der höchste Überschuß gegenüber den USA.

In Tokio beruhigte das Handelsministerium mit dem Argument, daß weniger Importe und der Preisverfall des Rohöls die Bilanz derart schwarz eingefärbt hätten. Insgesamt hat Japan im vergangenen Jahr 10,5 Prozent weniger Güter importiert. Rund 7 Prozent weniger Rohöleinfuhren und der Preiszerfall auf dem Ölmarkt haben zudem die Ölimporte um 45 Prozent verbilligt. Wegen der anhaltenden Konjunkturflaute ist keine Trendwende in Sicht. So lagen im Dezember die japanischen Einfuhren gar 21,7 Prozent unter dem Vorjahreswert.

Die jüngsten Zahlen weisen nicht nur auf einen schädlichen Handelskonflikt mit den USA hin, sondern geben auch Auskunft darüber, wie die japanische Rezession als Dämpfer für die Weltwirtschaft wirkt. Ökonomen in Tokio gehen davon aus, daß erst in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres mit einer Erholung der Binnennachfrage gerechnet werden könne. Eine Verringerung des japanischen Handelsüberschusses sei kaum zu erwarten, da mit der Konjunkturflaute die Nachfrage nach ausländischen Gütern überproportional nachgelassen habe.

Für Japans wichtigsten Handelspartner, die USA, dürften die neuen Daten genug Argumente liefern, um die Deregulierung im Binnenmarkt des asiatischen Riesen anzumahnen. In Washington sieht man vor allem wegen Nippons Stahlexporten rot. Sie haben 1998 um 219 Prozent zugenommen. Das führte zu einer Anti- Dumping-Klage von US-Stahlkonzernen, die gegenwärtig im Senat anhängig ist.

Obwohl die Klage gegen vier Länder – Japan, Süd-Korea, Rußland und Brasilien – gerichtet ist, wird der Stahlstreit vor allem die Beziehungen der USA zu Tokio belasten. Erst kürzlich hat die japanische Regierung Schutzzölle auf Reisimporte beschlossen. André Kunz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen