: Frauen in der klassischen Musik
„Frauen gehören in die Küche und nicht ins Orchester“, befand Herbert von Karajan vor zwanzig Jahren mit einer heute seltenen Offenheit. Die Aussage stimmte schon damals nicht: Die Harfe scheint ein „ausschließlich von Frauen erlernbares Instrumentarium zu sein“, wie eine Studie des Zentrums für Kulturforschung Bonn/Berlin feststellt.
Doch bei Instrumenten, an denen sich auch Männer versuchen, können sich Frauen scheinbar nur schwer durchsetzen: Als sich Abbie Conant den Münchner Philharmonikern als „Herr“ Conant verkaufte, erhielt sie prompt eine Stelle als Solistin. Nach ihrer Probezeit wurde die inzwischen ihres wahren Geschlechts Überführte zur zweiten Posaunistin degradiert. Zwar mußten die Verantwortlichen dies aufgrund eines Gerichtsurteils wieder zurücknehmen, zahlten ihr aber tausend Mark weniger, bis ein Gericht erneut zur Ordnung rief. Immer noch sind 90 Prozent aller Blechbläser Männer.
Der Frauenanteil in Orchestern beträgt heute zwischen 16 und 25 Prozent. Und diese Quote sinkt mit steigendem Renommee: In Spitzenorchestern wird nur jedes zehnte Instrument von einer Frau gespielt.
An Tasteninstrumenten sind Frauen mit 20 Prozent vertreten. Dabei waren es im 19. Jahrhundert vor allem Bürgersgattinnen und höhere Töchter, die beim Hauskonzert die Finger übers Klavier gleiten ließen. Mit den Prankenschlägen eines Franz Liszt gelangte das Piano auf die Konzertbühne – und damit unter Männerhände.
Frauen wie Clara Schumann, die es als Solistin auf die Bühne und als Komponistin auf den Hundertmarkschein schaffte, blieben die Ausnahme. Lediglich zarte Mozartklänge boten Pianistinnen wie Clara Haskil oder Lili Kraus eine Spielwiese. Die Vorstellung, Frauen seien körperlich unfähig, mit manuellem Kraftaufwand komplexe Werke zu spielen, halten sich trotz Virtuosinnen wie Gina Bachauer oder Dame Moura Lympany hartnäckig. In Joachim Kaisers Standardwerk „Die großen Pianisten unserer Zeit“ tauchen sie selbst in der Auflage von 1996 gar nicht erst auf. Von 150 vorgestellten Pianisten beträgt der Frauenanteil nicht einmal ein Sechstel. Immerhin jedoch darf alle zehn Jahre eine Klavierspielerin an die Weltspitze aufsteigen: Derzeit ist Suko Uchida die Quotenfrau am Klavier.
Schlecht sieht es bei dem Job aus, in dem Canetti und Adorno gleichermaßen die Inkarnation der Macht sahen: dem Dirigieren. Obwohl im entsprechenden Studiengang zu einem Fünftel Frauen sitzen, erhalten sie nur 3 bis 6 Prozent der Taktstöcke. Dafür, daß kaum Frauen Führungspositionen in Orchestern einnehmen, macht das Zentrum für Kulturforschung „gesellschaftliche Barrieren“ verantwortlich. Dennis Stute/Frank Siebert
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