: Eher Durchfall als Tagebuch
■ Der Singer/Songwriter Pat MacDonald tritt am Montag abend im Moments auf und sprach vorher mit der taz
az: Ihre CD „Pat MacDonald sleeps with his Guitar“ ist wie ein vielteiliger, sehr persönlicher Song-zyklus angelegt. Sie erzählen von der Auflösung ihrer Band „Timbuk 3“, dem Selbstmord eines Freundes oder den Problemen ihres Sohnes, der nach der Scheidung seinen Vater vermißt. Sind diese Songs Ihr Tagebuch?
Pat MacDonald: Eine seltsame Idee, vielleicht eher Durchfall (diarrhea) als Tagebuch (diary). Aber tatsächlich ist meine Musik so etwas wie ein Dokument meines Lebens, in Lieder zerhackt. Es gibt einige fehlende Stücke, manchmal war ich zu sehr damit beschäftigt, zu leben, um an diesem Tagebuch zu arbeiten, und man kann nicht aus allem einen guten Song machen. Ich will nicht gleich mein ganzes Leben in Liedern ausdrücken, aber es ist mir wichtig, daß es eine Verbindung zwischen meinen Erlebnissen und den Songs gibt. Und ich muß einen Mangel verspüren, um überhaupt etwas zu komponieren.
Auf der CD sind 16 Songs in einer knappen Stunde komprimiert. Ihre Lieder sind sehr kurz, auf ihre Essenz verdichtet. Gibt es überhaupt noch eine andere Platte mit so vielen einzelnen Songs?
Ich glaube, Elvis Costello hat mal 16 Lieder von jeweils 2 Minuten auf eine Schallplatte gepackt. Ich mag einfach kurze Songs. Die Plattenfirma wollte zuerst, daß ich ein paar Lieder wieder von der CD nehme. Auf der japanischen Version könnten dann ruhig wieder alle 16 sein, weil CDs in Japan teurer sind, sagte die Firma.
Aus Angst, daß Leute sich über andere CDs beschweren würden, weil da fürs gleiche Geld viel weniger Songs drauf sind?
Genau!
Mir gefällt die sparsame Orchestrierung der CD. Sie vermittelt das Gefühl eines live gespielten Soloauftritts, aber dazu gibt es dann clevere, minimalistische Einschübe vom Percussionisten Wally Ingram, auf der Orgel, dem Saxophon oder der E-Gitarre.
Ich liebe meine Gitarre, wie man ja schon am Titel der CD erkennen kann. Ich spiele sie nun seit 1970, und ich wollte, daß man sie gut hört, und daß ihr Ton nicht unter einer aufwendigen Produktion begraben wird. Auf der Bühne spiele ich recht laut, und dann hört man viel mehr auf die Gitarre als sonst. Auf einer CD ist die Lautstärke aber nicht von mir abhängig, und ich dachte, 60 Minuten nur ich und die Gitarre könnte ein wenig langweilig werden. Daher diese kleinen instrumentalen Tupfer.
In dem Song „Beautiful, beautiful Thing“ schaffen Sie es zwar, in 3'42'' Minuten rekordverdächtige 40mal das Wort „beautiful“ zu singen, aber die Grundstimmung ihrer Musik ist doch dunkel.
Viele gute Dinge passieren im Dunkeln. Ich spiele oft nachts auf der Gitarre herum, und dabei entstehen dann diese Nachtstücke. Und ich mag es, wenn jeder Song eine scharfe Schneide hat. Nur so kann man den Zuhörer intensiv berühren, die Songs müssen durch das Fleisch schneiden können.
Fragen: Wilfried Hippen
Die Jazz & PopRedaktion von Radio Bremen 2 präsentiert Pat MacDonald im Doppelkonzert mit dem Sänger Chris Whitley am Montag um 20 Uhr im Moments
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