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Steht auf, wenn ihr begeistert seid

Vergeßt das DFB-Hallenmasters! Die Leidenschaftslosigkeit aller entspricht der, mit der Fernseh-Soaps konsumiert werden. Es geht nur um den Reiz kollektiver Langeweile  ■ Von Katrin Weber-Klüver

Dortmund (taz) – Es gibt tatsächlich einen Grund, Hallenfußball abzulehnen – Aversion gegen plätschernde Langeweile.

Dabei ist es so entspannend, fast eine kleine Meditation, sich in eine Halle zu setzen und geschlagene fünf Stunden kurzbehosten Männern zuzusehen, wie sie in Horden und ohne große Ordnung, wie Kinder also, einem Ball hinterherrennen. Es ist auch egal, welche Männer dieser Beschäftigung nachgehen. Hauptsache sie haben Trikots an, denen man den Verein entnehmen kann, und das Herumgerenne wird ab und an von Toren unterbrochen. Die Treffer geben dem Treiben seinen Rhythmus, dem auf dem Platz und dem auf den Rängen auch. Und die waren in den sechs Hallen, in denen bis gestern die Hallenmaster-Serie 1999 ausgetragen wurde, zu 94,4 Prozent ausgelastet. Das sind acht Prozent mehr als vor einem Jahr und ein Zuwachs von 8.000 auf 98.000 Zuschauer.

Vorm Fernsehschirm verhält es sich ähnlich. Hallenfußball, sagt der Sender, der die Qualifikationsturniere zum Finale in Dortmund übertragen hat, sei vom Publikum großartig angenommen worden. Bis zu 2,5 Millionen Zuschauer wurden als Spitzenwert ermittelt.

Warum schauen so viele Menschen zu? Vielleicht, weil sie sich lieber in Gesellschaft langweilen, weil Hallenfußball besser ist als gar keiner, oder auch, weil es beruhigend ist, Männer in kurzen Hosen mit ihrem Spielzeug zu sehen.

Die Leidenschaftslosigkeit beim Zusehen entspricht der, mit der Soaps konsumiert werden (nur für hartgesottene Fans beider Genres trifft das nicht zu, das ist eine andere Geschichte). Niemand behauptet, „Verbotene Liebe“ sei ein anspruchsvolles, spannendes Kulturgut. Aber Millionen von Menschen haben wochentags um 17.55 Uhr das Bedürfnis nachzusehen, ob von Anstettens und Brandners noch am Leben sind. Man kann dabei die Post durchsehen oder bügeln oder das Abendessen vorbereiten. Man muß sich nicht konzentrieren wie bei einem Spielfilm – oder einem richtigen Fußballspiel. Deren dramatische Bögen und die Rollen der einzelnen Figuren begreift man nur, wenn man aufpaßt.

Bei den Kurzformen Soap und Hallenfußball verlieren die Protagonisten an Profil. Die Veranstaltung ist von kollektiver Anwesenheit geprägt, nicht von individuellen Fähigkeiten. Trotz der Nähe zu den Zuschauerrängen nimmt die Bedeutung einzelner Spieler in der Halle im Vergleich zum Spiel auf dem großen Feld entscheidend ab. Sie bewegen sich zu gleichförmig, und das Repertoire in der Halle ist minimal. Nur in raren Momenten ist das anders, meist bei Spielern des FC Bayern München. Carsten Jancker und Giovane Elber hatten in Dortmund für drei Minuten das Bedürfnis, Technik und Witz zu zeigen. So was ist natürlich Gift für kontemplative Versenkung.

Aber solche Störungen sind auch selten. Da die Spieler laufend ausgetauscht werden, können weder sie noch die Zuschauer sich ins Spiel einfinden. Irgendwelche in weißen Leibchen kicken gegen irgendwelche in grünen, dann rote gegen gelbe. Solange es weitergeht, ist die Welt in Ordnung.

Nur die Anhänger unterklassiger Vereine bringt das tatsächlich momentweise in Wallung. Auf den Oberrängen der Westfalenhalle waren sie alle aufgereiht, die Kickers-Fans, die 96er, die Oberhausener, die Wattenscheider, nur Te- Be-Berliner gibt es nach wie vor nicht. Der Offenbacher Kickers- Anhang hatte großen Spaß, seine Mannschaft anzufeuern und noch mehr, sie jubelnd zu verabschieden, als sie ausschied. Das war gut, denn um sich gepflegt zu langweilen, waren die Kickers-Fans nicht gekommen. Die Oberhausener übrigens auch nicht. Aufgekratzt kickte sich die Mannschaft ins Viertelfinale. Der Anhang amüsierte sich prächtig mit sich selbst und skandierte in einer Halle, die nach einem Drittel der Spiele immer halb leer war („Stimmung wie in Wattenscheid“), weil die Zuschauer in den Wandelgängen nach Nahrung suchten, etwas, das klang wie „steht auf, wenn ihr begeistert seid“. In Wahrheit hieß es nur „wenn ihr Rot-Weiße seid“.

Die hübsche Ironie hätte eh niemanden interessiert. Es war kurz nach vier Uhr nachmittags und die Trägheit auf dem Höhepunkt, weil jedem normalen Menschen nach verbrannter, fetter Imbißpizza erst mal schlecht ist. Man weiß das immer schon, bevor man sie kauft, aber man weiß ja auch vorher, daß man sich beim Hallenfußball langweilen wird.

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