: Modellhaft spritzen
Noch in diesem Jahr soll die kontrollierte Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige erlaubt werden ■ Aus Hamburg Karin Flothmann
Die Ära der repressiven Drogenpolitik geht zu Ende. Schon ab Dezember dieses Jahres sollen Heroinsüchtige die Möglichkeit bekommen, ihre Droge ganz legal unter ärztlicher Aufsicht zu spritzen. Dann nämlich, so erklärte Hamburgs Bürgermeister Ortwin Runde (SPD), soll die kontrollierte Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige erlaubt werden. Ein entsprechender Modellversuch, an dem sich neben Hamburg unter anderem Berlin, Hannover und Frankfurt beteiligen wollen, „könnte ohne Änderung des Betäubungsmittelgesetzes auskommen“, sagte Runde.
Möglich wird dies aufgrund der veränderten politischen Verhältnisse. Der Paragraph 3 des Betäubungsmittelgesetzes erlaubt schon heute in Ausnahmefällen die Abgabe von Heroin „zu wissenschaftlichen Zwecken“ und zu anderen Zwecken, die „im öffentlichen Interesse“ liegen. Entsprechende Anträge an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte seien bisher jedoch stets abschlägig beschieden worden, erläuterte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums. Das Fischer-Ministerium bereite einen neuen Antrag vor, der im August beim Institut gestellt werden soll. „Die Chancen, daß er diesmal genehmigt wird, sind sehr hoch“, prophezeit Runde.
Bis sich sein Orakel erfüllt, wird sich das Bonner Gesundheitsministerium jedoch mit den interessierten Städten und Ländern zusammensetzen müssen, um die Rahmenbedingungen des geplanten Modellversuchs abzuklären. Ein erstes Treffen ist am 10. Februar angesetzt.
Gesprochen werden sollte dann beispielsweise über die Frage, „wo das Heroin beschafft wird“, meint Hamburgs Drogenbeauftragter Horst Bossong. Geklärt werden müsse auch, wer für die Qualitätskontrolle der Droge sorgt. Abgegeben werden könnte sie zum Beispiel in Gesundheitsämtern oder den Ambulanzen von Krankenhäusern. Unklar sei darüber hinaus, so Bossong, wo das Heroin gelagert wird und wie es zu den Abgabestellen gelangt. „Mit einem Fahrradkurier ist das ja schlecht möglich.“
Langfristiges Ziel des Versuchs ist es, Heroin in Ausnahmefällen wie ein Arzneimittel an Süchtige weiterzugeben – natürlich nur unter ärztlicher Kontrolle. „Geholfen werden soll auf diese Weise Drogenabhängigen, die mit anderen Methoden nicht erfolgreich behandelt werden können“, sagt Bossong. Immerhin belegten Erfahrungen aus der Schweiz, daß die kontrollierte Abgabe von Heroin ein Weg sein kann, die Beschaffungskriminalität deutlich einzuschränken.
Überzeugt von dem Schweizer Modell sind auch die Städte München und Karlsruhe. In der Stadt des Bundesgerichtshofes votierte 1993 eine parteiübergreifende Mehrheit des CDU-dominierten Gemeinderats dafür, Heroin auch in Karlsruhe kontrolliert an Süchtige abzugeben. Beide Städte werden jedoch Schwierigkeiten mit ihren Landesregierungen bekommen. Denn sowohl Bayern als auch Baden-Württemberg lehnen die kontrollierte Heroinabgabe nach wie vor vehement ab. Die Karlsruher sehen das gelassen. Nach dem Gespräch mit Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer (Bündnisgrüne) im Februar werde zunächst einmal der Gemeinderat erneut zusammentreffen. Immerhin sei die finanzielle Seite ja noch gar nicht geklärt.
Für das Bonner Ministerium hingegen ist die klar: Städte, die sich am Modellversuch beteiligen wollten, so erklärte ein Sprecher, müssen auch für das Heroin sorgen und es bezahlen.
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