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Kampf zwischen Harten und Weichen

In Frankreich verjüngt die kommunistische Gewerkschaft CGT ihre Führung und nähert sich den sozialdemokratischen Gewerkschaften Europas an. An der Basis ist die neue Linie nicht ganz unumstritten  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

Größer als die anderen französischen Gewerkschaften ist die „Confédération générale du travail“ (CGT) immer noch. Aber im Vergleich zu früher, als sie Regierungen zu Fall bringen konnte, ist die CGT mit ihren nur noch 650.000 Mitgliedern schwach geworden. Auf ihrem heute in Straßburg zu Ende gehenden 46. Kongreß versucht sie eine Neuorientierung: nicht nur mit einem Führungs- und Generationswechsel an der Spitze, sondern auch mit einer Annährung an die sozialdemokratische europäische Gewerkschaftsbewegung und mit einer begrenzten Abkehr vom Klassenkampf.

Die Inkarnation der neuen Linie der CGT ist Bernard Thibault. Der einstige Eisenbahner mit dem 70er-Jahre-Topfschnitt und den weit aus den Haaren herausragenden Ohren ist dem großen Publikum in Frankreich seit Ende 1995 bekannt. Während des über dreiwöchigen Streiks im öffentlichen Dienst war er der Sprecher der „cheminots“, der EisenbahnerInnen, die jenen längsten Streik seit 1968 ausgelöst hatten.

Seither baute der heute scheidende CGT-Chef Louis Viannet den jungen Thibault, der wie er selbst langjähriges Mitglied der KPF ist und der gegenwärtigen Parteiführung nahesteht, systematisch zu seinem Nachfolger auf.

Der CGT-intern umstrittenste Auftritt des neuen Mannes fand im vergangenen Sommer statt. Damals tauschte er einen langen Händedruck mit der Chefin der reformistischen Gewerkschaft CFDT, Nicole Notat, aus. Ausgerechnet mit jener Gewerkschafterin, die während des 95er Streiks die Partei des konservativen Regierungschefs Alain Juppé ergriffen hatte und daraufhin in einer Demonstration so heftig als „Schlampe“ und „Verräterin“ beschimpft worden war, daß ihre Bodyguards und sie die Flucht ergreifen mußten.

Das Thema „Einheit“ in der Gewerkschaftsbewegung kehrt seither bei Thibault immer wieder. Auf dem Straßburger Kongreß spielte es eine zentrale Rolle. „Einheit“ mit den anderen französischen Gewerkschaftszentralen – mit der reformistischen CFDT, mit der aus einer Spaltung der CGT im Kalten Krieg hervorgegangenen FO und mit der christlichen Gewerkschaftsbewegung.

Aber auch „Einheit“ auf internationaler Ebene, wo die CGT sich anschickt, dem Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) beizutreten. Jahrzehntelang war die CGT Mitglied in dessen Konkurrenzbewegung, der verflossenen kommunistischen Gewerkschaftszentrale, gewesen. Doch bereits seit den 70er Jahren hat sie immer wieder beim EGB angeklopft. Bislang waren ihre Beitrittsgesuche stets von den konkurrierenden sozialdemokratischen Gewerkschaften behindert worden.

Jetzt sieht alles nach einem EGB-Beitritt noch in diesem Jahr aus. Sowohl VertreterInnen des EGB als auch die CFDT-Chefin Notat sind auf dem Straßburger Kongreß zu Gast. Völlige Einheit im Inneren der CGT freilich besteht nicht über die neuen Allianzen. Wenn Notat heute das (Gruß-)Wort ergreift, hat sie heftige Reaktionen zu erwarten.

Denn in der CGT, jenem Konglomerat aus alten StalinistInnen, AnarchistInnen, TrotzkistInnen und neuen ReformkommunistInnen, tobt ein harter Kampf zwischen den „KlassenkämpferInnen“ und „ModernistInnen“. Letztere, darunter der neue Chef Thibault, wollen die immer noch kampfkräftigste französische Gewerkschaft „weg von der Streitgewerkschaft und hin zu einer Vorschlagsgewerkschaft“ verändern. Die „KlassenkämpferInnen“ hingegen beharren auf ihren berüchtigten Kampfmethoden. Sie halten den „ModernistInnen“ entgegen: Es gibt bereits genügend reformistische Gewerkschaften in Frankreich. Die CGT hat eine andere Rolle.

Tatsächlich erfüllt die CGT längst beide Aufgaben: Sie ist in den gewerkschaftlichen Gremien – von den Personalvertretungen bis hin zu den erstinstanzlichen Arbeitsgerichten – als stärkste Gewerkschaft vertreten. Und sie ist bei den sozialen Bewegungen – von den Sans Papiers, den papierlosen ImmigrantInnen, bis hin zu den Arbeitslosen – stärker als die anderen Gewerkschaftszentralen vertreten.

Doch die CGT leidet an der allgemeinen Malaise der französischen Gewerkschaftsbewegung. Nicht einmal 10 Prozent der Beschäftigten sind heute noch gewerkschaftlich organisiert. Zuletzt haben die Massenarbeitslosigkeit, die rasante Zunahme befristeter Arbeitsverhältnisse und der radikale Abbau des öffentlichen Dienstes, der letzten Bastion der französischen Gewerkschaften, die Gewerkschaften getroffen.

Zwar prognostizieren die ExpertInnen der französischen Gewerkschaftsbewegung, die CGT, die bereits vor der Sowjetunion existierte und sich leichtherziger als die KPF von ihrer stalinistischen Vergangenheit befreite, werde auch diese Krise überstehen. Doch an der Basis der CGT tobt längst ein Kampf zwischen „Harten“ und „Weichen“. Das Ende ist offen.

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