Sieben Kinder und ein Kater

■ Ein halbes Jahr gibt es Bremens International School. Hausbackene Intelligenzbestien sind nicht gefragt und der Unterricht im Zweiklassensystem läuft auf englisch

Anfangs gab es häufiger mal Anrufe hochehrgeiziger Eltern: „Sagen Sie, Sie suchen doch noch Schüler für Ihre internationale Schule. Ich hätte hier ein besonders begabtes Kind für Sie.“ Viel zu begabt also, um seine Intelligenzperlen unters einfache Pennälervolk zu streuen. Aber leider: Der Direktor der International School of Bremen, Walter Kronshage, will die kleine Intelligenzbestie gar nicht.

Von Rechts wegen sozusagen. Die Internationale Schule in Schwachhausen nämlich hat mit Bremens Mischpoke nur am Rand zu tun: „Bedingung für die Aufnahme von Schülern ist, daß diese auf eine internationale Erziehung angewiesen sind“, begrenzen die Aufnahmebedingungen hausbackene Bremer Elite-Ambitionen im Ansatz. „Die Kinder sollten schon soziabel sein“, ergänzt der weißbärtige Direktor im Pensionärsalter hemdsärmelig, „es ist nicht gerade unser Ziel, uns hier im Glashaus einzurichten.“

Aber – Ziel oder Nichtziel – natürlich sitzen Bremens internationale Schüler mittenmang im Glashaus. Nicht nur wegen der Siebziger-Jahre-Ästhetik mit großen Fenstern und weitem Blick über die Familienhaus-Idylle rund um die Thomas Mann Straße. Auch, weil die internationale Schülerschaft im bodenständigen Bremen so normal nun wieder nicht ist. Immerhin müssen die Eltern jeden Monat 800 Mark Schulgeld pro Kind berappen – nicht gerade erfreuliche Aussichten für Asylbewerber, die wahrscheinlich „auf eine internationale Erziehung“ eher angewiesen wären, als mancheR der sieben SchülerInnen, die hier zur Zeit von zwei Lehrerinnen unterrichtet werden.

Ja, sieben Schüler hat Bremens International School derzeit: Mareike, die blonde; Josephine, die neunmalkluge, Franziska ist gerade nach Australia abgedampft. Sarah ist streng mit Ann-Christine; Ann-Christine ist das Nesthäkchen – und James ist in Bremens internationaler Schüler-Schar der einzige Mann. Seid Ihr alle da?! Nein. Macht nichts. Es werden ja immer mehr. Zu Schulbeginn waren es erst drei – na also. Und jetzt, da in Bremens Schulen die Anmeldungen fürs nächste Schuljahr laufen, gibt es bei Brigitte Siemoneit im Sekretariat „viel, viel mehr als eine Anfrage pro Woche.“ Just habe es einen Anruf aus Singapur gegeben, berichtet die Sekretärin mit der Drittelstelle – und vier Männer aus Amerika waren auch da: „Sehr interessiert!“ – die möchten jetzt ihre Familie nachkommen lassen.

Zwei Klassenräume hat die Schule und ein Sekretariat mit beigestelltem Direktorentisch. Stibitzende Möchtegern-Eltern sind den Schülern wohlbekannt – auch wenn man kein Glashaus sein will, pflegt man Glasnost. Mit verbundenen Augen englischsprachige Düfte zu identifizieren, ist ja schon schwer genug. Zimt, Zitrone, Kaffee, Schokolade, Tannenzapfen duften nämlich nicht nur ganz unterschiedlich, sie tragen im englishspoken Kontext der International School auch ganz andere Namen. „How did that smell?“. Soft, sagt Sarah. Soft, sagt James. Soft, plappert auch Ann-Christine Reichert, das Nesthäkchen im Preschool-Alter und verdreht dabei die Äuglein. „What do you bring us tomorrow, Ann-Christine?“ – „Schokolade!“

Bei Mrs Kinnersley nebenan käme Ann-Christine mit ihrer deutschen Antwort nicht durch. Hier residiert die zweite und dritte Klasse, in Person von Mareike und Josephine – und Charlie Anderson, der Lesebuch-Katze. Freundinnen sind Mareike und Josephine nicht, weil: Mareikes Freundin ist Franziska in Australia. Aber helfen tut Mareike trotzdem, wenn auch nicht mehr so oft, wie noch zu Schuljahresbeginn. Da sagte Josephine in ihrer Unterrichtssprache nämlich nur Good Morning – den Rest verstand ihre Mrs Kinnersley aus Kalifornien nicht. Gut, daß es Mareike gab, die fast so gut englisch wie deutsch spricht.

Wie Ann-Christine kommt auch Josephine aus nurdeutschem Elternhaus. Aber Josephines Mutter überzeugte den netten Direktor Kronshage davon, daß sie es ernst meint mit ihren Plänen, bald als Zahnärztin nach Amerika auszuwandern. Also steht die große Josephine jetzt mit der kleineren Sarah im leeren Schulraum und schreibt lange Divisionsreihen an die Tafel: Nicht, daß das schon dran wäre; sie hat das bei ihrer Oma gelernt. Aber auch für Kater Charlie zeigt die Älteste zunehmend Empathie und reckt ihrer Lehrerin Darcy Kinnersley (Foto re.), die die Kinder so gern als gute Menschen in die Realität entlassen würde, ihr ernstes Gesicht entgegen: „But we are in the real world.“

Darüber sollten die beiden nun streiten, aber Mrs Kinnersley hat leider nicht hingehört. Reading, writing, mathematics jeden Tag, erzählt die Lehrerin; dann music am gestifteten Flügel, art & science ohne weitergehende Disziplinierung. Das soll so bleiben: Naturwissenschaften denkt man ganzheitlich in Bremens International School. In Hannover, wo Direktor Kronshage schon Niedersachsens International School gründete, ist das übrigens genauso: Den Zerfall der Natur in ihre chemischen, physikalischen, biologischen Bestandteile mag der alte Direktor nicht. Ein Gewinn für die Schule findet er, wenn auch aus der Not geboren: Dann braucht man auch nur ein Labor. Die Gründung von International Schools in Deutschland ist Qualitätsmanagement von quantitativen Mängeln. Genauso wie das Zweiklassensystem (Vorschule mit erster, zweite mit dritter Klasse zusammen) und der projektorientierte Unterricht. Vielleicht hat die kanadische Lehrerin Margarete Jeserich diese Ideen aus ihren Montessori-Zeiten mitgebracht. Man bedient sich da, wo sich Gutes zeigt, sagt Kronshage, das sei doch das Tolle: „Schule noch einmal erfinden“. Die International Schools funktionieren nicht nach einem rigiden pädagogischen Schema – identisch ist nur der Abschluß, auf daß die global kids überall auf der Welt die gleichen Chancen bekommen.

Ob es in Bremen künftig genug von diesen Kindern für eine ganze Schule gibt? Direktor Kronshage wird die Antwort nicht mehr aktiv miterleben – die Bewerbungen für seine Nachfolge laufen schon: Kürzlich rief eine Amerikanerin an, derzeit stellvertretende Direktorin an einer International School. Fein findet Kronshage das: „Ich halte nichts von SchulleiterInnen aus dem Sitzland.“ Um die Zukunft seiner Schule ist er „von Natur aus“ nicht bange. Die International University Bremen wird kommen und mit ihr viel weitgereistes Volk (siehe nebenstehenden Artikel) und das internationale Kapital ist ja schon da: Kellogs, Chrysler, die Dasa gehören nicht nur zu den potentesten Sponsoren der Schule, sondern auch zur potentiellen Klientel. ritz Int'l School, phone:337927