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In den britischen Rover-Werken geht die Angst um

■ BMW verhandelt mit britischer Regierung über millionenschwere Finanzspritze zur Erhaltung der Arbeitsplätze bei Rover. Briten fordern langfristige Garantien für das Überleben des Werkes

Bernd Pischetsrieders Abgang hat bei Rover in Großbritannien tiefe Zukunftsängste ausgelöst, hatte er doch die Übernahme vor fünf Jahren durchgesetzt und sich für die Erhaltung der vier Standorte stark gemacht. Wie es mit der größten, aber auch unproduktivsten britischen Autofabrik in Longbridge bei Birmingham weitergeht, weiß niemand. Durchgesickert ist lediglich, daß in den kommenden Monaten darüber entschieden werden soll.

In Longbridge arbeiten 11.500 Menschen, mindestens 50.000 sind in den Zulieferbetrieben beschäftigt. Die Schließung des Werkes wäre eine Katastrophe für die ganze Region, sagte Beverley Nielson vom Verband der britischen Industrie. Dabei schien es vor zwei Monaten, als ob die Fabrik gerettet sei. Gewerkschaftsboß Tony Woodley hatte einen „revolutionären Deal“, wie er es selbst nannte, ausgehandelt. Das Abkommen hatte es in sich: 2.500 Arbeiter wurden entlassen, die Löhne eingefroren, das Urlaubsgeld gestrichen. Darüber hinaus verschwand einer der Lohn-Eckpfeiler der britischen Autoindustrie: die Überstunden. Sie sollten künftig „flexibel“ in flauen Zeiten abgebummelt werden. Die 39.000 Arbeiter bei Rover stimmten zu, weil BMW mit der Schließung der Firma drohte.

Longbridge wurde 1894 als Blechfabrik gegründet. Zehn Jahre später kaufte Herbert Austin das Werk und begann Autos zu bauen. Im ersten Jahr produzierte er 23 Stück, 1965 waren es 350.000. Seitdem ging es bergab. In den siebziger Jahren baute Rover – damals British Leyland – nur noch mittelmäßige Autos und fuhr hohe Verluste ein. Hätte BMW die Firma nicht 1994 übernommen, wäre sie wohl längst geschlossen worden. Die bayerischen Autobauer investierten 2,5 Milliarden Pfund, es war von weiteren 1,7 Milliarden die Rede, um die Kapazität auf 500.000 Mittelklassewagen im Jahr zu erhöhen. Auch der neue Mini, dessen Originalversion von Bernd Pischetsrieders Großonkel Alex Issigonis entworfen worden war, sollte in Longbridge gebaut werden. Doch das Werk hinkt bei der Produktivität um 30 Prozent hinter den anderen BMW-Standorten her. Der BMW-Aufsichtsrat hatte zwar mit sechs zu eins Stimmen für die Schließung des Longbridge-Werkes gestimmt, doch Pischetsrieder setzte sich mit seinem Rettungsplan durch. Woodley sang damals ein Loblied auf ihn, das sich als prophetisch erwies: „Pischetsrieder hat seinen Ruf und seinen Job riskiert, um die breite Rover-Produktpalette zu erhalten.“ Nun wird Rover wohl nur mit staatlicher Hilfe überleben. Der britische Handelsminister Stephen Byers sagte am Wochenende, daß die Regierung bereit sei, BMW bei der Modernisierung des Longbridge-Werkes finanziell unter die Arme zu greifen. Im Gegenzug müsse BMW aber langfristige Garantien für das Überleben des Werkes geben. Die Verhandlungen über eine staatliche Finanzspritze sind bereits angelaufen. Man sei „guter Hoffnung“, daß die Gespräche zu einem Erfolg führen werden, hieß es bei BMW. Nach britischen Presseberichten werden derzeit Beträge zwischen 150 und 350 Millionen Pfund diskutiert.

Großbritannien hat mehr Autofabriken als alle anderen europäischen Länder, doch die meisten Aktionäre sitzen im Ausland. Von ihren Entscheidungen hängen rund 800.000 britische Arbeitsplätze ab. Die Tories hatten nach ihrem Wahlsieg 1979 beschlossen, außereuropäische Autofirmen mit Subventionen nach Großbritannien zu locken. Zunächst funktionierte das, die Autoindustrie trägt noch immer 5,5 Prozent zum Bruttosozialprodukt bei. Doch es gibt einfach zu viele Werke, sie sind im Durchschnitt nur zu 25 Prozent ausgelastet. Bei einer Krise, das hat sich in der Vergangenheit gezeigt, schützen die ausländischen Firmen zuerst die Werke in ihren Heimatländern. Der Guardian forderte am Wochenende stärkere Auflagen bei ausländischen Übernahmen von britischen Unternehmen. „Die Idee des Wettbewerbs hat in den 18 Jahren Tory-Regierung und nun unter Labour die britische Wirtschaftskultur so beeinflußt“, schrieb das Blatt, „daß eine staatliche Intervention geradezu für ein Verbrechen gegen den Kapitalismus gehalten wird, statt darin eine vernünftige Maßnahme zu sehen.“ Ralf Sotscheck

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