: Flugticket statt Gesellenbrief
Kurdischem Azubi droht die Abschiebung. Petitionsausschuß ist dagegen; Vorsitzender Klimke fühlt sich vom Senat „veralbert“ ■ Von Heike Dierbach
Jürgen Klimke (CDU) ist sauer. „Bald können wir den Laden dichtmachen“, schimpft der Vorsitzende des Petitionsausschusses der Hamburger Bürgerschaft, „ich fühle mich vom Senat veralbert.“ Letzterer wird heute über die einstimmige Empfehlung von Ausschuß und Bürgerschaft beraten, die Ausweisung eines 17jährigen Kurden auszusetzen. Nach Informationen der taz ist jedoch mit einer Ablehnung zu rechnen, denn Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) hat sich in einem Brief bereits gegen die Duldung ausgesprochen.
Der Petitionsausschuß hatte im November vergangenen Jahres beschlossen, daß dem abgelehnten Asylbewerber Mehmet Kaya „der Aufenthalt in Deutschland ermöglicht werden sollte“, bis er Anfang 2001 seine Ausbildung zum Frisör abgeschlossen hat. Kaya war 1994 als unbegleiteter Flüchtling nach Hamburg gekommen, hatte seinen Hauptschulabschluß gemacht und eine Lehre begonnen. Sein Asylantrag wurde im September 1998 abgelehnt. Sein Ausbildungsbetrieb reichte daraufhin die Petition ein.
„Mit der Ausbildung könnte ich in der Türkei einen Laden aufmachen“, erklärt Kaya, „jetzt hätte ich gar nichts“. Seine Berufsschullehrerin Petra Schmidt findet es „besonders bitter, daß der Senat vielleicht ablehnt, weil doch alle anderen schon ,ja' gesagt haben“.
Die ehemalige Sozialsenatorin Helgrit Fischer-Menzel (SPD), die den Fall im Ausschuß betreut hatte, wandte sich sogar mit einem persönlichen Brief an Wrocklage, um ihn von dem „positiven Beispiel“ zu überzeugen: Kaya habe schnell Deutsch gelernt und finanziere sich allein durch seine Ausbildungsvergütung, argumentierte sie in einem Brief gegenüber dem „Lieben Hartmuth“. Vergeblich. Der Genosse Innensenator ließ die „Sehr geehrte Frau Fischer-Menzel“ wissen, daß Kaya durch seinen hier erlangten Schulabschluß „bereits gegenüber anderen ausländischen Jugendlichen besser gestellt ist“.
Es gibt jedoch durchaus Fälle, in denen die Duldung von Auszubildenden bis zum Ende der Lehre verlängert wurde, hat Fischer-Menzel recherchiert: So durfte beispielsweise ein Bosnier für zwei Jahre und fünf Monate bleiben, um Groß- und Außenhandelskaufmann zu werden. „Diesen Ermessenspielraum gibt es auch für Kaya“, ist die SPDlerin überzeugt. Nach ihrer Einschätzung stehen die Chancen, daß der Senat diesen heute nutzen wird, „fünfzig zu fünfzig“.
Denn nur in der Hälfte aller Fälle folgt der Senat dem Votum des Petitionsausschusses. „Besonders im Ausländerrecht beharren die oft auf ihrer Meinung“, weiß Klimke, „zum Teil werden unsere Argumente nicht mal zur Kenntnis genommen.“ Weil die Ausschußmitglieder „frustriert“ sind, schlugen sie im September vergangenen Jahres vor, eine „Clearingstelle“ als Vermittlungsinstanz zum Senat einzurichten.
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